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Nach den Sommerferien werden in vielen österreichischen Schulen auch Flüchtlingskinder zu betreuen sein.

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Die steirische Landesschulratspräsidentin Elisabeth Meixner (ÖVP) will kein Kind wegschicken.

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Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat in ihrem Ressort eine zentrale Anlaufstelle für die Schulen für Fragen in Sachen Einschulung von Flüchtlingskindern eingerichtet.

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Wien – In Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ist es schon in zwei Wochen so weit, in den anderen Bundesländern weitere sieben Tage später: Die Schule fängt wieder an – auch für die vielerorts neu angekommenen Flüchtlingskinder?

"Kein nach dem Gesetz schulpflichtiges Flüchtlingskind wird weggeschickt", stellt die steirische Landesschulratspräsidentin Elisabeth Meixner (ÖVP) im STANDARD-Gespräch klar: "Wir werden den Schulen empfehlen, dass, wo immer Kinder von Asylwerbern ankommen, diese pädagogisch betreut werden." Allerdings erwartet Meixner von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) "ein ganz klares Zeichen: Sind die Kinder schulpflichtig?"

Dauerhafte Schulpflicht oder freiwilliger Schulbesuch

Denn das Schulpflichtgesetz legt für "alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten", mit dem vollendeten sechsten Lebensjahr eine neunjährige Schulpflicht fest. Die "Dauerhaftigkeit" ist bei Flüchtlingen allerdings nicht im Vorhinein zu beantworten.

Paragraf 17 des Schulpflichtgesetzes regelt für den "vorübergehenden Aufenthalt" die "Berechtigung zum freiwilligen Besuch allgemeinbildender Pflichtschulen". Darin heißt es: "Kinder, die sich in Österreich nur vorübergehend aufhalten, sind unter den gleichen sonstigen Voraussetzungen, wie sie für Schulpflichtige vorgesehen sind, zum Schulbesuch berechtigt."

"Bildung ist ein Menschenrecht"

Die Position des Bildungsministeriums dazu ist jedoch eindeutig: "Bildung ist ein Menschenrecht. Die Schulpflicht gilt in Österreich deshalb für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft und von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status", hieß es am Montag auf STANDARD-Anfrage: "Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, alle Kinder und Jugendlichen so rasch wie möglich in unsere Schulen aufzunehmen und ihnen eine Chance auf Bildung und Integration zu geben." Das Ziel laute, "alle Schülerinnen und Schüler rasch einzuschulen, um ihnen von Anfang an das Lernen im Klassenverband, zusätzliche Sprachförderung und eine gemeinsame Freizeitgestaltung mit Gleichaltrigen zu ermöglichen".

Informationen für die Schulen

Am Montag ging dazu auch ein Informationsschreiben an die Landesschulratspräsidentinnen und -präsidenten, das dem STANDARD vorliegt. Es soll die Schulen über rechtliche, organisatorische und pädagogische Fragen zur Aufnahme von Flüchtlingskindern und -jugendlichen informieren. Neben allgemeinen Definitionen (Asylwerber-/innen, Asylberechtigte bzw. anerkannte Flüchtlinge, subsidiärer Schutz, Bleiberecht und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) werden auch Zahlen und Fakten über die aktuelle Flüchtlingsbewegung geliefert.

Demnach waren im Jahr 2014 fast 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. In Österreich haben von Jänner bis Mai 2015 insgesamt 20.620 Menschen Asylanträge gestellt, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 7.279, die meisten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Unter 14 waren insgesamt 132 der im heurigen Jahr bis Mai in Österreich angekommenen unbegleiteten Flüchtlinge, über 14 waren 2.188.

Dann wird ausdrücklich festgehalten: "Alle in Österreich lebenden Kinder im schulpflichtigen Alter haben das Recht und die Pflicht, die Schule zu besuchen. Der zuständige Schulsprengel hat daher alle (Anm. im Original fett hervorgehoben) schulpflichtigen Kinder – also auch Kinder von AsylwerberInnen und Kinder, deren aufenthaltsrechtlicher Status nicht geklärt ist – aufzunehmen und nach Möglichkeit ihrem Alter entsprechend einzustufen."

AHS-Unterstufen müssen keine Flüchtlinge aufnehmen

AHS-Unterstufen sind übrigens "nicht verpflichtet, außerordentliche SchülerInnen aufzunehmen".

Weiters wird in dem Schreiben über Möglichkeiten der Beschulung von nicht mehr schulpflichtigen Jugendlichen informiert, etwa grundlegende Alphabetisierung und Basisbildung bzw. das Nachholen eines Pflichtschulabschlusses oder die Möglichkeit einer Lehre "in sogenannten Mangelberufen", die Asylwerber bis zum vollendeten 25. Lebensjahr anfangen dürfen.

Besonders hingewiesen wird auch darauf, die Flüchtlingskinder "nicht unhinterfragt dem islamischen Religionsunterricht oder dem muttersprachlichen Unterricht in Arabisch zuzuteilen", weil zum Beispiel nicht alle Kinder aus Syrien oder Irak auch Moslems seien, sondern zum Beispiel Christen oder Jesiden, die zu Hause vielleicht Kurdisch sprechen.

Maximal zwei Jahre "außerordentlicher" Status

Aufgrund der fehlenden Deutschkenntnisse sei davon auszugehen, dass die Kinder als "außerordentliche SchülerInnen" aufzunehmen seien. Sie haben dann die Möglichkeit, während des maximal zwei Jahre dauernden "außerordentlichen" Status' an einem Sprachförderkurs teilzunehmen. Nach Möglichkeit soll auch der Einsatz von muttersprachlichen Lehrerinnen und Lehrern ausgeweitet werden. Inhaltlich wird empfohlen, das Thema "Flucht und Asyl" im Rahmen der politischen Bildung mit den Schülerinnen und Schülern zu behandeln.

Anlaufstelle im Bildungsministerium

Außerdem wurde im Bildungsressort eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet, "die bei praktischen Fragen zur Sprachförderung, Schulbuchaktion, Schülerfreifahrt und Ähnliches Schulleitungen sowie Pädagoginnen und Pädagogen unterstützt." Da die Flüchtlingskinder auch mit traumatischen Erfahrungen belastet sein können, gibt es auch eine schulpsychologische Online-Informationsplattform.

Länder brauchen zusätzliche Posten

Auch die Landesschulräte bereiten ihre Schulen bereits vor auf asylsuchende Kinder. Der Platz wäre vorhanden, sagt die steirische Landesschulratspräsidentin: "Wir haben in vielen Schulen vorübergehend Platz durch den laufendenden Schülerrückgang." Auch die Lehrer für die dann nötige Sprachförderung seien nicht das Problem, sondern die Frage, "ob es zusätzliche Dienstposten gibt oder nicht", betont Meixner. Es ist ja der Bund, der die Lehrerinnen und Lehrer in den Pflichtschulen finanziert und budgetieren muss.

Das Land Steiermark habe sich im vergangenen Schuljahr Dienstposten "zurückbehalten und dann im zweiten Halbjahr für Sprachförderung verwendet", erzählt Meixner und warnt: "In Wien soll man sich das gut anschauen, da die Ressourcen für die Stundenvergabe jetzt schon sehr knapp sind."

Integrativ und intensiv lernen

Wie die Kinder dann möglichst schnell Deutsch lernen können, soll in den einzelnen Schulen anhand pädagogischer und nicht politischer Kriterien entschieden werden: "Bei zwei Kindern ist klar, dass die innerhalb der Klasse integrativ, vielleicht zeitweise auch außerhalb des Klassenverbandes in Deutschintensivkursen unterrichtet werden. Was wenig Sinn machen würde, wären reine Klassen mit Flüchtlingskindern", betont Meixner. "Da wären sie nicht integriert, sondern stigmatisiert. Aber in der Steiermark werden Asylwerber ohnedies in Kleingruppen auf Gemeinden aufgeteilt, so stellt sich diese Frage kaum."

"Schule muss nicht alles leisten"

Integrationsoffenheit nimmt die ÖVP-Schulpolitikerin verstärkt auch in der Bevölkerung wahr. So hätten sich bei ihr mehrere pensionierte Lehrerinnen und Lehrer gemeldet, die als Lesepaten und Sprachlehrer helfen und Flüchtlingen die Sprache vermitteln möchten. Auch diese Angebote müsse die Politik in ihr Konzept für den Umgang mit Asylwerbern einbinden, sagt Meixner, denn: "Es muss nicht alles die Schule leisten. Es kann so viel Hilfe außerhalb der Schule geleistet werden."

Auch wenn die Flüchtlingsfrage ein globales Problem sei, das größere politische Lösungen erfordere, möchte die steirische Schulpolitikerin "unschuldige Kinder am wenigsten in einer verzweifelten Opferrolle sehen. Was wir unseren eigenen Kindern nicht zumuten, dürfen wir allen anderen auch nicht zumuten." (Lisa Nimmervoll, 25.8.2015)