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"Die Eroberung von Mexico" eröffnete heuer den Premierenreigen in Salzburg mit Bo Skovhus und Angela Denoke. Opernregisseur Peter Konwitschny thematisierte Beziehungsprobleme.

APA/Gindl

Salzburg – Um den Charakter dieser nun zu Ende gehenden soliden Festspielsaison (Oper und Konzert betreffend) einordnen zu können, hilft es, an jene Tage zu erinnern, da ein frischgebackener Intendant erstmals die Rücktrittskeule schwang. Mit expansiven Plänen hatte Alexander Pereira das oberste Gremium, das Kuratorium, in Schrecken versetzt. Wiederaufnahmen verbat er sich. Nur Premieren sollten glänzen. Folgerichtig wuchs das Budget, auch dehnte Pereira das Festival durch die Reihe Ouverture Spirituelle aus und erfand fürs Finale den längst eingesparten Festspielball.

In seiner unergründlichen Weisheit hatte sich das politisch geprägte Kuratorium für den gestaltungswilligen Manager entschieden, offenbar ohne von ihm vorab ein Konzept zu erbitten. Jedenfalls erschrak es gewaltig. Pereira drohte, seine Pläne wurden blockiert, es begann ein Kleinkrieg in der Fehlannahme, Pereira wäre ein Festivalzocker, der sich um Finanzen wenig scherte, die Festivalstrukturen jedoch nachhaltig aufblähte und nur durch eine – plötzlich unerwünschte – Sponsorenvermehrung am Leben hielt. Dabei aber um Subventionen jammerte. Der Wunschkandidat wurde zur Plage.

Ende bekannt: Pereira blieb ein Unvollendeter, wechselte an die Mailänder Scala. Was nun also seine vierte, glanzvolle Saison hätte werden sollen, ist vor allem ein Dokument der verordneten Redimensionierung, der Konflikte und Pereiras Pannen – betreut vom interimistischen künstlerischen Leiter Sven-Eric Bechtolf.

Gescheiterte Pläne

Da wäre die Eröffnungspremiere, Wolfgang Rihms Oper Die Eroberung von Mexico. Sosehr sie (bis auf wenige plakative Überflüssigkeiten) von der Könnerschaft des späten Salzburger Debütanten Peter Konwitschny zeugte, so sehr ist sie Folge gescheiterter Pläne. An sich hätte György Kurtágs neue Oper gezeigt werden sollen, auf die schon Pereira vergeblich wartete.

Selbst die zweite Premiere, Mozarts Figaro, trägt musikalische Spuren jener Probleme, die über Pereira hereinbrachen. Regisseur Bechtolf vollendet seinen Da-Ponte-Zyklus so virtuos wie visionslos. Musikalisch musste leider ausreichen, dass Dirigent Dan Ettinger zumindest respektabel agierte. Er war dritte Wahl. Ursprünglich hätte Franz Welser-Möst (alle Mozart-Opern) dirigieren sollen, er jedoch sagte Pereira ab. Einspinger Christoph Eschenbach erwies sich allerdings nicht als Visionär und ward bei Figaro nicht mehr gesehen. Welser-Möst wiederum – groteske Festivalpointe – glänzte dennoch doppelt in Salzburg: Bei Claus Guths wertvollem Fidelio leistete er mit den Philharmonikern Bemerkenswertes. Wie auch beim wieder aufgenommenen Rosenkavalier aus dem Vorjahr, der zu Pereiras Erfolgen zählt – nebst den Meistersingern (Regie Stefan Herheim, wurde nicht mehr gezeigt).

Vier Wiederaufnahmen

Dass den drei diesjährigen Opernpremieren nun mit Rosenkavalier, Norma, Iphigenie und Trovatore vier Wiederaufnahmen gegenüberstanden, ist zwar eine Folge der neuen Sparsamkeit, aber keine Katastrophe. Die Musikqualität stimmte. Und es sollten die vielen Konzerte nicht vergessen werden, die ebenfalls zum Rückgrat eines Mehrspartenfestivals gehören. Abende wie jener von Christian Gerhaher zeigen, was festspielwürdig ist. Und auch die Integration von Werken Pierre Boulez' war ein Zeichen, dass man Zeitgenossen nicht verpennt.

Allerdings: Selbst wenn alles Gebotene für ein erstes von zwei Bechtolf-Jahren des unauffälligen Übergangs (bis Markus Hinterhäuser 2017 übernimmt) respektabel wirkt, bleibt klar: Redimensionierung ist kein Dauerkonzept. Salzburg wird unverwechselbar nur durch die Liaison von Qualität und Quantität, die jedoch ob der andauernden Subventionsstagnation (heuer etwas aufgeweicht), dauerhaft gefährdet scheint. Pereira hat das erkannt und versucht gegenzusteuern.

Dass er weg ist, heißt nicht, dass die Festivalprobleme weg sind. Pereira war nicht das Problem, er war eine Art Fieberthermometer, der Probleme drastisch aufzeigte. Sie waren vor ihm da (schon Peter Ruzicka und Jürgen Flimm klagten), sie werden auch Hinterhäuser plagen. Zwar haben die Festspiele noch eine respektable Größe, und es kommen die meisten bedeutenden Künstler nach Salzburg. Noch mehr Schrumpfung wäre jedoch mittelfristig fatal.

Ein schlanker, kompetenter Aufsichtsrat statt eines aufgeblähten Kuratoriums – das wäre hingegen ein Anfang von Strukturbereinigung! Dann würden Probleme – wie jene mit Pereira – und Übergangsjahre nicht entstehen. (Ljubiša Tošić, 23.8.2015)