Sparen ist in aller Munde – aber nur im Zusammenhang mit dem Staat. Die Senkung der Staatsausgaben, Austeritätspolitik genannt, ist zum Mantra der europäischen Fiskalpolitik geworden.

Das gute alte Sparbuch hingegen wird nicht mehr honoriert. Denn man kriegt nichts mehr dafür. 0,125 Zinsen pro Jahr sind es offiziell, bei dreijähriger Bindung lässt sich die "Belohnung" auf maximal 1,5 Prozent bei manchen Geldinstituten steigern. Vor dreißig Jahren lagen diese Sätze noch beim Dreifachen.

Zwar sparen die Österreicher noch immer 170 Euro monatlich im Schnitt, aber die Entfremdung wächst. Laut der bekannten Imas-Sparstudie von 2014 ist das Vertrauen ins Bank-Sparen dramatisch gesunken. 2006, zwei Jahre vor Beginn der Finanzkrise, waren 37 Prozent der Meinung, Sparen "zahle sich immer weniger aus", 2013 waren es schon 72 Prozent, also eine Verdoppelung. 2006 hatten nur sechs Prozent Angst vor einem Bankenkonkurs, sieben Jahre später waren es 23 Prozent.

Die klassischen Volksparteien, also SPÖ und ÖVP, wissen davon. Aber fragt man einzelne Exponenten, dann stellt sich heraus, dass sie politische Auswirkungen der steigenden Unsicherheit nicht denken.

Thomas Fuster von der Neuen Zürcher Zeitung schrieb unter dem Titel "Die Aushebelung der Marktwirtschaft" folgende Diagnose: "Der größte Verlierer ist heute der Sparer. Er wird schleichend enteignet, weil der niedrige Zins wie eine Steuer auf sein Guthaben wirkt."

Zwei Beispiele:

Bei der Geburt eines Kindes ein Sparbuch anzulegen, es von Verwandten und Freunden mehren zu lassen, ist sinnlos geworden. Der Zuwachs ist auch bei Bindung so klein, dass er im Falle einer Auflösung von den Gebühren gefressen wird.

Für die Pensionisten ist die Lebenserwartung gestiegen. Man umwirbt sie sogar als "neue Unternehmer". Nur: Sie kriegen keine Kredite mehr, werden beim Investieren also diskriminiert. Und die Banken honorieren auch den Spareifer älterer Menschen nicht. Die Folge: Aktive Senioren werden zum Nichtstun verurteilt.

Keine Vermögensbildung

Noch einmal Fuster: "Das Niedrigzinsumfeld behindert die Vermögensbildung breiter Schichten, während die geldpolitische Flutung primär den Wohlhabenden zugutekommt, die einen relativ höheren Anteil ihres Geldes in Aktien und Immobilien halten. Die Politik der tiefen Zinsen führt also zu wachsender Ungleichheit."

Weder Rechtspopulisten noch "Linksromantiker" (zit. Paul Lendvai) sind dafür verantwortlich. Aber sie profitieren von der Enttäuschung und von der Wut. Die einen stark, die anderen kaum, weil es sie in Österreich kaum gibt.

Eine der Hauptursachen für das Schwächeln der Regierungsparteien ist neben dem Scheitern an aktuellen Herausforderungen (siehe Flüchtlinge) die Blindheit gegenüber Umbrüchen. Eine dieser dramatischen Veränderungen ist die Aushebelung der Sozialen Marktwirtschaft.

Die Veränderung der Sparzinsen sagt uns nichts, weil es sie nicht mehr gibt. Als Kompass dienen nur noch die Pegelstände der internationalen Geldschwemmen. (Gerfried Sperl, 24.8.2015)