Wien – Von 37 Kinder und Jugendlichen, die am Freitag nach Wien hätten gebracht werden sollen, konnten 14 im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nicht gefunden werden, berichtete die ORF-Sendung "Wien heute". Der Wiener Flüchtlingskoordinator spricht von einem "Skandal", das Innenministerium wies die Kritik zurück.

Die unbetreuten Flüchtlinge hätten in einer Wohngemeinschaft der Volkshilfe in Wien-Liesing und im Zweiten Georg-Danzer-Haus in Favoriten untergebracht werden sollen. Aber die zuständige Betreuungsfirma ORS konnte sie nicht finden. Der Flüchtlingskoordinator Peter Hacker kritisierte, dass bei den unter 14-Jährigen der Überblick fehle. Das sei "eine Katastrophe für die österreichische Verwaltung" und müsse Konsequenzen haben. Im Innenministerium sah man die Aufsichtspflicht nicht verletzt. Asylsuchende würden "nun einmal nicht in Ketten liegen", erklärte ein Sprecher laut "Wien heute".

Das Innenministerium weist die Kritik zurück. Asylwerber seien nicht inhaftiert, sie könnten sich frei bewegen. Für Minderjährige gebe es zwar eine Obsorge durch die Jugendwohlfahrt, aber "auch das ist keine Haft", sagte Ministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.

Hacker hatte es als "Skandal" bezeichnet, dass bei einer geplanten Überstellung in Wiener Einrichtungen 14 von 37 Kindern und Jugendlichen im Erstaufnahmezentrum nicht gefunden werden konnten. Dies trifft laut Grundböck so auch nicht zu: Nur sieben unbegleitete Flüchtlinge seien nicht angetroffen worden. Sieben andere seien zwar nicht in Begleitung ihrer Eltern, aber anderer Bezugspersonen aus dem weiteren Familienkreis. Da sie bei diesen bleiben wollten, hätten sie Traiskirchen nicht verlassen.

Leider müsse man immer wieder feststellen, dass Erwachsene, aber auch Unmündige nach der Registrierung und Antragstellung das Erstaufnahmezentrum wieder verlassen – weil sie nicht nach Österreich, sondern in ein anderes Zielland wollen. Dass deshalb bei Überstellungen eine Differenz zwischen geplanten Namenslisten und den tatsächlich anzutreffenden Personen besteht, "ist eine Routine, die jedem, der in diesem Bereich tätig ist, auch bekannt ist", merkte Grundböck in Richtung des Wiener Flüchtlingskoordinators an.

Aus der Wiener SPÖ wurden am Freitag zwei Rücktrittsaufforderungen an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gerichtet – vom Landtagspräsidenten Harry Kopietz und vom Bildungsstadtrat und Kinderfreunde-Bundesvorsitzenden Christian Oxonitsch: "Sie haben lange genug versagt, Frau Ministerin, treten Sie zurück", forderte Oxonitsch Mikl-Leitner auf, sich einzugestehen, dass sie "an dieser komplexen Herausforderung gescheitert" sei.

"Am Rande des Machbaren"

Vorwürfe gegen die vom Innenministerium engagierte Traiskirchen-Betreuungsfirma ORS weist deren operativer Leiter Wilhelm Brunner in einem Interview mit "News" zurück – etwa die Kritik von Amnesty International an Duschen, Essen oder medizinischer Versorgung. Da würden Einzelfälle herausgegriffen und nicht gezeigt, was funktioniert.

Angesichts der massiven Überbelegung bewege sich ORS aber "seit vielen Wochen am Rande des Machbaren", gesteht Brunner ein. Die Raumnot führe zu langen Wartezeiten beim Essen, manche Leistungen – wie psychologische Betreuung – könnten wegen fehlender Räume nicht mehr erfüllt werden, würden doch viele Zimmer als Schlafplatz verwendet. Zelte für im Freien lagernde Flüchtlinge könne ORS nicht aufstellen, dazu sei man nicht befugt. "Frust" bei den Untergebrachten führt Brunner auch darauf zurück, dass die Flüchtlinge "bitter enttäuscht" seien. Sie hätten ganz andere Erwartungen an Österreich gehabt – Arbeit, eine Wohnung: "Mit einem Massenlager, in dem einem fremdes Essen vorgesetzt wird, rechnet in Europa keiner." (APA, 21.8.2015)