Wien – Tief im Ostpazifik gibt es eine Lebensgemeinschaft, deren Partner nicht auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sind. Zumindest gilt dies für die Schwefelbakterien, die normalerweise im Inneren von Riesenröhrenwürmern wachsen. Sterben die Würmer, können die Bakterien allerdings auch im Freien gedeihen, wie Monika Bright von der Universität Wien beim Studium dieser Symbiose herausfand. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin "PNAS" erschienen.

Live fast, die young

Die Riesenröhrenwürmer (Riftia pachyptila) leben in warmen Quellen, die durch Vulkanausbrüche in der Tiefsee entstanden sind. "Sie können bis zu eineinhalb Meter lang werden und sind, soviel man weiß, die am schnellsten wachsenden wirbellosen Tiere auf der Erde", sagte Bright, die am Department für Limnologie und Bio-Ozeanographie der Uni Wien forscht. Ihre Wachstumsraten seien sogar mit jenen von Krebszellen vergleichbar.

Weil ihre Lebensräume, also die warmen Quellen mit ihren Röhren, oft sehr kurzlebig sind, und durch einen Vulkanausbruch oft alle Würmer in einem ganzen Gebiet ausgelöscht werden, müssen ihre Larven in kurzer Zeit erwachsen werden und Nachkommen produzieren, erklärte sie. Meist leben die Würmer auch nicht lange und sterben innerhalb von zwei Jahren. Die Schwefelbakterien in ihrem Inneren teilen aber dieses Schicksal entgegen früherer Annahmen nicht, wie sie nun mit einem internationalen Team herausfand.

Die Symbiose

"Jede Wurmlarve muss ihre Symbionten aus der Umwelt aufnehmen, denn die Elternwürmer geben sie nicht an ihre Nachkommen weiter", so die Biologin. Einzelne Bakterien infizieren dabei die Haut, ähnlich wie manche Krankheitserreger, und besiedeln das Innere des Wirtskörpers. Dort ernähren sie diesen und werden von ihm dazu mit den nötigen Grundstoffen versorgt.

Die Schwefelbakterien bekommen vom Wurm Sauerstoff, Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff sowie andere Gase, und können den Schwefelwasserstoff oxidieren, wodurch sie Energie gewinnen. Damit bauen sie aus Kohlendioxid verschiedene Kohlenstoffverbindungen auf, von denen sowohl die Bakterien als auch die Würmer leben können. Die Würmer können sich gar nicht auf eine andere Art und Weise ernähren, denn beim Übergang vom Larven- zum Erwachsenenstadium verschließen sich Mund und Anus des Wurms, und sein Darmtrakt wird massiv verkleinert.

Die Riesenröhrenwürmer futtern aber nicht nur die Ausscheidungen ihrer symbiotischen Bakterien, sondern auch diese selbst, betont die Biologin. "Erstens kommen sie dadurch zu anderen Chemikalien als jenen, die ihnen die Symbionten geben, zweitens können sie damit die Zahl ihrer Symbionten kontrollieren", sagte sie. Sonst würden die Bakterien in ihrem Körper sogar den so rasch gedeihenden Würmern über den Kopf wachsen.

Leben nach dem Tod

Was aber, wenn der Wurm stirbt? Da die Würmer keinen offensichtlichen "Ausgang" haben und die symbiotischen Bakterien in ihrem Ernährungsorgan (Trophosom) quasi in einem festgefahrenen, von dem Wirt kontrollierten Zustand gefangen sind, habe man bezweifelt, dass sie lebend entkommen können, schrieben die Forscher. Sie haben aber lebende Würmer aus 2.500 Metern Tiefsee mit Untergrundbooten und temperaturisolierten Behältern geborgen, getötet, und ihre Überreste in Hochdruckaquarien gelegt, um zu sehen, was mit den Bakterien passiert.

"Innerhalb von zwölf Stunden waren sie aus den Überresten der Würmer schon ins Wasser gelangt, und besiedelten kurz darauf Glasplättchen in den Hochdruckaquarien, wo sie sich sogar teilen konnten", erläuterte Bright. Von einem abgestorbenen Röhrenwurm entweichen knapp eine Million Bakterien, berechneten die Forscher. Dies ist umso bemerkenswerter, als jeder Wurm am Anfang seines Lebens von nicht mehr als 20 Bakterien besiedelt wird, wie Bright in einer früheren Arbeit herausfand. (APA/red, 22. 8. 2015)