Die Präsidentenkrise in der autonomen kurdischen Region im Nordirak ist eigentlich nicht mehr als eine der vielen Hürden, die ein politisches Gemeinwesen auf dem Weg zu einem funktionierenden demokratischen System zu nehmen hat: Dass die irakischen Kurden so intensiv darüber streiten, welche Kompetenzen und Befugnisse ihr Präsident künftig haben soll, ist im Nahen Osten ein Luxus, zu dem man ihnen nur gratulieren kann.

Eine andere Sache ist jedoch, dass diese Krise, die die kurdische Autonomieregion am Donnerstag in ein institutionelles Vakuum geführt hat, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt kommt: inmitten des Kriegs mit dem "Islamischen Staat" auf dem eigenen Territorium und anderswo im Irak, mit einem politischen Tohuwabohu in Bagdad, wo man ja ebenfalls in der Regierung sitzt, mit Krieg und Krisen in den Nachbarländern, von denen jeweils auch Kurden betroffen sind. Dass dazu nun noch politische Instabilität in Erbil kommen soll, weil die kurdischen Parteien kompromissunfähig sind, ist mehr als ernüchternd.

Beide Positionen – jene, dass Präsident Massud Barzani gerade angesichts der schwierigen Lage noch länger im Amt bleiben soll, und jene, dass ein Wechsel an der Spitze demokratisch fällig wäre – haben ihre Meriten. Formeln, die den Befürchtungen beider Seiten Rechnung tragen, liegen bereits auf dem Tisch. Auch der Kompromiss ist etwas, was man in einer Demokratie lernen muss. (Gudrun Harrer, 20.8.2015)