In Traiskirchen zeigen sich die Folgen einer verfehlten Politik und einer Ideologie, die Markt und Eigennutz über das Gemeinwohl stellt. Die Folge ist ein Trend zu Ökonomisierung und zur Privatisierung sozialer Aufgaben. Im Zusammenhang mit dieser Ideologie wurde der traditionelle Glaubwürdigkeitsbonus von Non-Profit-Organisationen (NPOs) in den letzten Jahren sukzessive infrage gestellt. NPOs geraten zunehmend unter Generalverdacht, müssen sich vermehrt legitimieren und beweisen, wirtschaftlich zu handeln. Diesen Rechtfertigungsdruck haben Wirtschaftsorganisationen scheinbar weniger. Von der Wasserversorgung bis zu Gefängnissen, kein Bereich ist derzeit in Europa vor der Logik der Gewinnorientierung sicher.

Dabei hat es jahrelang gut funktioniert. Als Sozialstaat noch kein dubioser Begriff war und Gemeinnützigkeit noch ein hoher Wert, war die Zusammenarbeit des Staates mit NPOs ein breit akzeptiertes Erfolgsmodell, das hohe soziale Sicherheit garantierte. Und nun wickelt ein gewinnorientiertes Unternehmen in Traiskirchen die Betreuung der Asylwerberinnen und Asylwerber ab, die davon herrührenden Probleme hat Amnesty letzte Woche dokumentiert: menschliches Leid, mit großer Gleichgültigkeit schlecht verwaltet.

Solche Agenden gehören in die Hände von gemeinnützigen Organisationen. In der Forschung zeigt sich deutlich, warum NPOs besser geeignet sind, soziale Aufgaben der Grundversorgung wahrzunehmen:

  • NPOs sind Spezialisten für den Umgang mit sozial heiklen Situationen, mit menschlichem Leid und mit Hilfe. Sie haben meist lange Erfahrung, haben sich in den letzten Jahrzehnten insgesamt deutlich professionalisiert und sind gut organisiert. Sie wissen, wie es geht.
  • NPOs sind wertorientiert, sie arbeiten nicht (nur) für Geld, sondern für die Sache. Angesichts knapper Ressourcen führt das immer wieder zu Konflikten zwischen Wirtschaft und Werten, und natürlich müssen NPOs wirtschaftlich handeln. Dennoch würden die NPOs, die ich kenne, ihre Werte nie um des Geldes willen vernachlässigen.

In der Praxis kommen noch andere Konkurrenzvorteile zum Tragen: Unsere neueste Untersuchung zeigt deutlich, dass NPOs vor allem unter Druck zu Kooperation im Sektor neigen, das heißt, im Krisenfall wird die Hilfe anderer NPOs angenommen – die großen Sozialorganisationen sind ohnehin in engem Kontakt. Es wäre etwa nicht vorstellbar, dass kranke Menschen unversorgt sind, aber die Organisation Ärzte ohne Grenzen draußen bleiben muss.

Auch der Kontakt zu kleineren Initiativen ist oft gegeben, diese könnten in Notsituationen rasch und unbürokratisch einbezogen werden. Auch können die meisten NPOs auf gute Netze Freiwilliger zurückgreifen, und sie haben vor allem große Erfahrung darin, diese gut zu managen. Im Jahr 2006 etwa haben Freiwillige im Rahmen von NPOs wöchentlich fast acht Millionen Stunden unbezahlte Arbeit geleistet. Wenn also jemand die vielen Menschen, die derzeit helfen wollen, koordinieren könnte, dann die gemeinnützigen Organisationen der Zivilgesellschaft.

Viele NPOs sind regional gut vernetzt und sind damit auch in den Gemeinden vertreten, könnten daher auch zu einer besseren und niederschwelligen Verteilung der Asylsuchenden beitragen. Zudem genießen NPOs – zu Recht – hohes Vertrauen, sie können im Krisenfall Spenden akquirieren, sie sind flexibel und arbeiten meist niederschwelliger als Profitfirmen.

Kritik vom Rechnungshof

Traiskirchen zeigt die Nachteile der Privatisierung öffentlicher Agenden. Es zeigt auch die Nachteile eines Vergaberechts, das zunehmend nur mehr am Preis statt auch an der Qualität von Leistungen orientiert ist. Bereits im Jahr 2003 wurde das Vergabeverfahren zugunsten eines gewinnorientierten Anbieters entschieden. Als Zuschlagskriterien wurden zu 65 Prozent der Preis, zu 20 Prozent die Übernahme des Personals und zu 15 Prozent die Qualität berücksichtigt. Der Rechnungshof kritisierte das. Diesmal war es offenbar nicht viel anders.

Es braucht wieder ein Bekenntnis zur Gemeinnützigkeit – nicht alles darf zum Geschäft werden. Und es braucht faire Vertragsbedingungen für NPOs. Derzeit gibt etwa die Hälfte an, dass die öffentliche Hand in den letzten fünf Jahren für gleiches Geld mehr Leistungen verlangt oder für gleiche Leistungen die Mittel gekürzt hat, häufig werden Vertragszusagen erst spät gemacht, fast zwei Drittel der NPOs haben Leistungen erbracht, deren Finanzierung noch nicht sicher war. Die Orientierung an Kosten statt an inhaltlichen Zielen, an Märkten statt am Gemeinwohl und an privaten Lösungen statt an wohlfahrtsstaatlicher Solidarität setzt NPOs unter Druck, ohne nachweisbare Vorteile aufzuweisen.

Es ist Zeit für eine neue Politik, die nicht nur an kurzfristigen Ersparnissen orientiert ist. Das Engagement und die Professionalität der Organisationen der Zivilgesellschaft sind nachhaltiger und effektiver als reines privatwirtschaftliches Gewinninteresse. (Ruth Simsa, 20.8.2015)