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Walter Barfuß

Foto: AP/Strauss

STANDARD: Sie kritisieren den Entwurf für ein neues Normengesetz?

Barfuß: Der Entwurf ist offenbar rasch, rasch hingepfuscht worden und strotzt daher vor Fehlern. Es ärgert mich, dass bei einem so heiklen und wichtigen Thema mit niemandem aus der Wirtschaft, auch mit uns nicht, gesprochen wurde. Wir sind ein Verein, und der wählt seine Gremien im Fünfjahresabstand selbst. Und jetzt heißt es, dass wir von außen bestellte Vertreter des Bundes und der Länder als Präsidium haben sollen. Und noch dazu sollen diese politischen Vertreter mit Vetorecht ausgestattet werden. Warum eigentlich? Das ist ja wie beim Sicherheitsrat der UN! Und weil das für andere österreichische Institutionen verführerisch ist, haben andere Kommunen, NGOs, Universitäten, Kammern etc. daraufhin angemeldet, auch in diesem Leitungsgremium vertreten sein zu wollen. Wenn man weiß, wie lange es braucht, bis sich Bund und Länder auf etwas einigen – so wird das Institut handlungsunfähig.

STANDARD: Aber Sie geben doch zu, dass das aus den 70er-Jahren stammende jetzige Normengesetz überholt gehört?

Barfuß: Ja, durchaus. Eine Modernisierung, was Inhalte, Verfahren und Schlichtungsmechanismen angeht, ist notwendig. Was ich in dem Entwurf vermisse, ist beispielsweise eine Regelung, dass es zu keinen Marktverzerrungen über Normen kommen darf.

STANDARD: Der Bund will künftig eine Million im Jahr zuschießen. Das ist doch nicht schlecht.

Barfuß: Die eine Million, die nicht wertgesichert ist, entspricht in etwa dem, was die Republik schon jetzt beiträgt. Wir finanzieren das Normungssystem derzeit zu 95 Prozent selbst, im Wesentlichen über Normenverkauf, Seminare, Fachliteratur – und über Teilnehmerbeiträge für die Mitarbeit an der Normung. Letztere sollen wir – aus mir nicht klaren Gründen – nicht mehr einheben dürfen. Das heißt, es wird sich eine Lücke von 1,7 Millionen Euro auftun. Die Finanzierung wird sich so auf keinen Fall ausgehen.

STANDARD: Es gibt aber viele, die sowieso meinen, dass Normung gratis sein sollte.

Barfuß: Das ist illusorisch. Normung ist zwar freiwillig, aber sie kostet. Beiträge für die Mitarbeit gibt es in fast allen anderen Ländern – übrigens wesentlich höher als in Österreich. Und Normen gratis ins Netz zu stellen, geht schon vom Urheberrecht her nicht. Denn vom Verkauf finanzieren sich Normungsinstitute in beträchtlichem Maß.

STANDARD: Wieso behaupten Sie, dass mit dem Entwurf Österreich vom internationalen Normungswesen abgeschnitten würde?

Barfuß: Weil auf internationaler und insbesondere auf europäischer Ebene verlangt wird, dass die nationalen Normungsinstitutionen stets unabhängig sein müssen. So wie die Regulierungsbehörden (etwa für Telekom, Schiene, Energie, Anm.) weisungsfrei sein müssen – obwohl sie selbstverständlich vom Staat finanziert werden. Wenn wir nun eine staatliche Lenkung in den Normungsgremien haben, laufen wir Gefahr, dass wir sowohl auf europäischer Ebene beim CEN sowie auf internationaler bei ISO hinausfliegen. Es hat solche Fälle schon gegeben – die Slowakei hat derzeit damit große Probleme.

STANDARD: Aber was spricht gegen staatlich?

Barfuß: Die Überlegung ist, dass ein einheitlicher Markt am besten funktioniert, wenn alle "Verkehrskreise", also Beteiligten, involviert sind: Konsumenten, die Wirtschaft, Unis, Forschungseinrichtungen, der Staat. Das steht aber einer Verstaatlichung entgegen.

STANDARD: Das tangiert doch nicht nationale Normen.

Barfuß: Nicht einmal mehr zehn Prozent der Normen sind rein österreichisch. In der Normenwelt spielt die Musik international. Dort muss man dabei sein und dabei sein können.

STANDARD: Erklärtes Ziel ist auch, die Normenflut einzudämmen.

Barfuß: Das klingt sehr gut. Ich bin auch dafür, dass es weniger Regeln gibt. Die europäische Integration hat es mit sich gebracht, dass die 150.000 nationalen Normen der einzelnen EU- und Efta-Staaten zu 21.000 europaweit geltenden zusammengeschmolzen wurden. Also welche Normenflut? Oder sind die knapp 100 rein nationalen Normen, die im Vorjahr veröffentlicht wurden, gemeint? (Johanna Ruzicka, 19.8.2015)