Bild nicht mehr verfügbar.

Demonstranten und Badegäste an der Copacabana.

Foto: Reuters/Moraes

Brasília/Wien – Dilma Rousseff ist schwer angeschlagen, gibt aber nicht nach: Kaum ein Jahr nach ihrer Wiederwahl sieht sie sich zum wiederholten Mal mit Protesten hunderttausender Brasilianer konfrontiert, die sie verantwortlich machen für die nach wie vor grassierende Korruption, die erlahmende Wirtschaft und den harten Sparkurs der Regierung. Ihre Zustimmungsrate ist im Keller: Nur noch acht Prozent sind mit ihr zufrieden, 71 Prozent beurteilten sie als schlecht oder als sehr schlecht. Rousseff ist damit unbeliebteste Staatschefin seit drei Jahrzehnten, als 1985 die Militärdiktatur zu Ende ging.

Die Proteste vom Wochenende lassen nichts Gutes für Rousseff und ihr Team erwarten: Fast unisono wird der Rücktritt der Staatspräsidentin verlangt; und zahlreich sind auch die Stimmen jener, die ein Amtsenthebungsverfahren fordern.

Dauerfeuer wegen Petrobras-Affäre

Rousseff schafft es auch seit Jahr und Tag nicht, sich im Zusammenhang mit dem Petrobras-Skandal aus der Schusslinie zu begeben. Zwar wird mangels Beweisen nicht gegen sie persönlich ermittelt, doch Dutzende direkt verwickelte Politiker sind Mitglieder ihrer Arbeiterpartei. Dass sie in ihrer Zeit als Aufsichtsratschefin bei Petrobras nichts mitbekommen habe von der Schmiergeldpraxis im halbstaatlichen Ölkonzern, glauben ihr viele nicht.

Erstmals zur Präsidentin gewählt wurde Rousseff 2010 als Nachfolgerin des beliebten Luiz Inácio "Lula" da Silva. Da er selbst nicht mehr antreten durfte, schlug er Rousseff als Kandidatin vor. Sie gewann – und trat ein extrem schweres Erbe an: Das Wirtschaftswachstum verebbte als Folge der globalen Wirtschaftskrise, Inflation und Arbeitslosigkeit stiegen steil und stetig an.

"Lula-Bonus" verpufft

Schon nach wenigen Jahren war wenig übrig vom "Lula-Bonus": Rousseff musste sich Protesten gegen die bevorstehende Fußball-WM stellen, bei denen es nicht nur um sport-, sondern vor allem um gesellschafts- und wirtschaftspolitische Themen ging. Auf die damals größten Unruhen seit dem Ende der Militärdiktatur reagierte Rousseff mit dem Versprechen eines "großen Pakts" für ein besseres Brasilien. Nach Ansicht vieler Bürger nichts als leere Worte.

Während der Fußball-WM 2014 hatten dann Regierung und Exekutive alle Hände voll zu tun, weitere Proteste klein zu halten. Ein wenig half wohl auch die eigene Fußballmannschaft mit, für ein paar Wochen von den existenziellen Problemen abzulenken.

Opposition wittert Chance

Ihre Wiederwahl im Oktober 2014 (sie konnte sich in der Stichwahl nur knapp mit 51,6 Prozent gegen den Wirtschaftsexperten Aceio Neves durchsetzen) muss für sie und ihre Berater ein Alarmsignal gewesen sein; doch am politischen Handlungskonzept änderte sich de facto wenig. Damals wie heute wirft man Rousseff vor, keine Beziehung zwischen sich und der Bevölkerung herstellen zu können; sie sei einfach zu spröde im Vergleich zu "Übervater" Lula, der oft – ob gerechtfertigt oder nicht – verklärt wird.

Nun wittert Wahlverlierer Neves eine neue Chance: Der Oppositionschef wetterte, die Regierung habe nun alle Glaubwürdigkeit und Autorität verspielt. Diese reagierte auch auf die neueste Runde der Proteste vorerst kühl und gelassen: Demonstrationen wie jene vom Wochenende seien Teil der "demokratischen Normalität"; ein Rücktritt Rousseffs sei ausgeschlossen. (red, 18.8.2015)