Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster sieht nach der Untersuchung der acht Zementwerke keinen akuten Problemfall, aber einige Lücken im System.

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Vor allem bei der Genehmigung von der Mitverbrennung von Abfallarten und bei Höchstwerten im Bereich der Luftemissionen müsse nachgebessert werden.

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Wien – Die Umweltschutzorganisation Greenpeace untersuchte nach dem HCB-Skandal in Kärnten die Sicherheit in allen acht österreichischen Zementwerken. Dazu wurden über mehrere Monate hinweg Luftemissionen und Abfallverwertung unter die Lupe genommen. Das Fazit: Es gibt keine Hinweise auf einen akut gefährlichen Problemfall. Dennoch gebe es Lücken, die mittelfristig zu einem ähnlichen Fall wie dem HCB-Skandal führen könnten.

Die heimischen Zementwerke sind abfallrechtlich betrachtet Mitverbrennungsanlagen. Das bedeutet, dass Abfälle gemeinsam mit herkömmlichen Brennstoffen verbrannt werden. Derartige Anlagen sind weitverbreitet und finden sich außer in der Zementindustrie in der Papier-, Holz-, Chemie- und Metallindustrie.

Wildwuchs bei Abfallgenehmigung

Vor allem bei der Abfallgenehmigung ortet Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster im Gespräch mit dem STANDARD einen "Wildwuchs". Die Schlüsselnummern, also die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart, sind intransparent, oft lasse sich nicht sagen, welche gefährlichen Stoffe beigemengt sind. "Die Behörde erteilt trotzdem eine Blanko-Genehmigung", sagte Schuster.

Insgesamt sind rund 680 Abfallarten für Zementwerke genehmigt, darunter 170, die bedenkliche Stoffe enthalten oder enthalten können. Die Liste umfasst Schadstoffe wie Arsen, sechswertiges Chrom, PVC oder polychlorierte Biphenyle (PCBs). Letztere zählen wie HCB zu den weltweit verbotenen "Dauergiften".

14 zu riskante Abfallarten

"14 Abfallarten stufen wir als zu riskant für ein Zementwerk ein, die sind für uns nicht verhandelbar", sagt Schuster. Dazu zählen beispielsweise PVC-haltige Abfälle, die in Kirchdorf und Gmunden verwertet werden dürfen. Ein anderes Beispiel sind Flugaschen und -stäube aus Abfallverbrennungsanlagen, für die etwa Retznei, Wietersdorf und Wopfing Genehmigungen haben. Gmunden darf zudem PCB-haltige Abfälle verwerten. Laut Angaben des Werks wurden aber seit 2012 keine PCB-haltigen Abfälle mehr genutzt. PCBs sind ebenso wie HCB auf der Liste der zwölf gefährlichsten Chemikalien.

Schuster betont, dass ein Verbot des Einsatzes besonders problematischer Schadstoffe eine wichtige Maßnahme wäre, um die Sicherheit in Zementwerken zu erhöhen und Katastrophen wie im Görtschitztal zu vermeiden. Er fordert die Zuständigen in den Zementwerken auf, auf bereits vorhandene Genehmigungen für solche Stoffe zu verzichten.

Zu hohe Grenzwerte

Beim Vergleich der Luftemissionen schneiden die Zementwerke unterschiedlich ab. Grenzwertüberschreitungen sind selten und kommen am ehesten bei Stickoxiden und Quecksilber vor. Bestimmte Grenzwerte wie der organische Gesamtkohlenstoff, HCB oder Kohlenmonoxid seien laut Greenpeace sehr hoch angesetzt oder existieren gar nicht.

Die Umweltschutzorganisation stellte Anfang 2015 Anfragen gemäß Umweltinformationsgesetz an alle zuständigen Behörden. Die Auskunftsfreudigkeit ließ zu wünschen übrig. Schuster: "Die Auslegung des Amtsgeheimnisses fiel unterschiedlich aus." Niederösterreich lieferte lediglich Auszüge, andere Behörden schwärzten Zahlen. Oberösterreich und Salzburg übermittelten relevante Bescheide vollständig. Greenpeace fordert hier die Aufhebung des Amtsgeheimnisses.

Zementindustrie kritisiert Studie

Der Greenpeace-Report ist am Montag umgehend von der Vereinigung der österreichische Zementindustrie (VÖZ) kritisiert worden. Dabei würde es sich primär um eine quantitative Auswertung der Verwertung von Abfällen handeln.

Der von der Zementindustrie forcierte qualitative Ansatz würde sich damit auseinandersetzen, welche Qualität die jeweiligen Einsatzstoffe aufweisen müssen, welche Anforderungen an Probenahme und Analyse zu stellen sind und wie die konkreten Bedingungen ihres Einsatzes auszusehen haben", sagte VÖZ-Geschäftsführer Sebastian Spaun. Denn wolle die Zementindustrie "den Dialog mit Greenpeace über Lösungsansätze fortsetzen".

Im Zementwerk würden in der Regel nicht mehr als zehn bis 20 Abfälle eingesetzt. Demgegenüber regle der österreichische Gesetzgeber detailliert deren Bezeichnung – rund 1.500 Abfallarten beinhaltet die entsprechende Liste. Nur wenn man über die Genehmigung für den richtigen Stoff verfügt, kann man diesen auch tatsächlich einsetzen, hieß es vonseiten der VÖZ. (APA/july, 16.8.215)