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Trost auf der Regierungsbank: Alexis Tsipras verlor beim Votum über den Rettungskredit noch mehr Stimmen im eigenen Lager.

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Dialektik zählt: Der marxistische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ist gegen das Kreditabkommen, aber für die Regierung. Er bot an, sein Abgeordnetenmandat zurückzulegen.

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Einspruch von ganz oben: Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou (Syriza) ist eine Gegnerin der Kreditvereinbarungen und verschleppte die Abstimmung bis zum Freitagmorgen.

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Das hatte die Links-Rechts-Koalition in Athen dann doch nicht erwartet: 44 Abgeordnete der linksstehenden Regierungspartei Syriza versagten bei der Abstimmung über das neue Kreditabkommen ihrem Premierminister Alexis Tsipras die Gefolgschaft. Das Abkommen kam Freitagmorgen mit den Stimmen der Opposition durch. Doch noch einmal zehn Syriza-Parlamentarier mehr als bei der vergangenen Eilabstimmung über Spargesetze Ende Juli stimmten mit nein, enthielten sich oder kamen nicht zum Votum.

Damit rutschte Tsipras unter die kritische Marke von 120 Abgeordneten, die maßgeblich für den Bestand auch einer Minderheitsregierung im griechischen Parlament ist. Aus Regierungskreisen verlautete am Freitag, Tsipras werde nun eine Vertrauensabstimmung für den 20. August ansetzen lassen. Griechenland muss an diesem Tag auch 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank zurückzahlen. Stürzt Tsipras, kommt es zu Neuwahlen.

Varoufakis will sich opfern

Laut Verfassung müsste Tsipras die Vertrauensfrage zwei Tage vor Beginn der Debatte, also am 18. August, auf die Tagesordnung setzen lassen. Die Abstimmung erfolgt in der Regel nach drei Tagen Debatte; das wäre Sonntag, der 23. August, kurz vor Mitternacht. Für die Annahme der Vertrauensfrage ist mindestens eine Mehrheit von zwei Fünftel oder 120 Abgeordneten notwendig. Zwei Stimmen würden Tsipras derzeit fehlen. Eine könnte von Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis beschafft werden. Der stimmte am Freitag zwar gegen das neue Kreditabkommen von 85 Milliarden Euro, bot aber während der Debatte in einer Intervention vom Plenum aus an, sein Abgeordnetenmandat niederzulegen, um die Regierung zu stützen; dann könnte ein Tsipras-treuer neuer Abgeordneter nachfolgen.

Fällt die Regierung, müsste der Staatspräsident zunächst einen neuen Auftrag zur Regierungsbildung vergeben. Dieser würde dann auch an die Faschisten der Partei Goldene Morgenröte als drittgrößte Kraft im Parlament gehen, merken politische Beobachter an; das würde zu "einiger Verlegenheit" führen. Weil aber weder Syriza, noch die konservative Nea Dimokratia oder gar die Goldene Morgenröte in der Lage sein dürften, eine neue Mehrheit zu finden, gäbe es dann eine Technokratenregierung für einen Monat und Neuwahlen Ende September oder Anfang Oktober. Umfragen sahen Syriza zuletzt als stärkste Partei.

Linke Reformpolitik

Die Oppositionsparteien Nea Dimokratia (ND), Pasok und To Potami hatten in den vergangenen Wochen mehrfach betont, mit Blick auf die notwendige Konsolidierung der Wirtschaft keine Neuwahlen anzustreben. Der ND-Abgeordnete Makis Voridis, ein rechtsgerichteter früherer Minister der Regierung von Antonis Samaras, kündigte am Freitag gleichwohl an, dass seine Partei nicht für Tsipras stimmen werde. Ob das tatsächlich so sein wird, ist freilich unsicher. Viele Syriza-Politiker sehen die Regierungsverantwortung als historische Chance an, die sie nur einmal erhielten: Trotz des Sparprogramms, das die Gläubiger aufzwingen, bliebe Raum für linke Reformpolitik, etwa im Bereich der Bildung, Justiz und der inneren Sicherheit, so lautet die Argumentation.

Verlassen kann sich Premier Tsipras weiter auf Verteidigungsminister Panos Kammenos. Der Chef der kleinen rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen (Anel) und Juniorpartner in der Regierungskoalition mit der Linken machte auch die jüngste Wende bei den ehemaligen Sparkurgegnern mit. Dieses Kreditabkommen müsse nun das letzte sein und die Ära der Sparmemoranden beenden, erklärte Kammenos Journalisten im Parlament. Die 13 Abgeordneten seiner Fraktion stimmten einmal mehr geschlossen der Regierungsvorlage zu. Kammenos machte aber nach Angaben der griechischen Nachrichtenagentur ANA intern Bedenken an der liberalen Linie von Syriza angesichts des anhaltenden Zustroms illegaler Flüchtlinge auf die Inseln geltend. Flüchtlinge sollten auf Schiffen untergebracht werden, um den Tourismus nicht zu stören, empfahl Kammenos später in einer Erklärung.

Problemfall Zoe

Offen ist, wie die Regierung nun mit der streitbaren Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou umgeht. Anel verlangte ihren Rücktritt, nachdem Konstantopoulou die Debatte über das neue Kreditabkommen immer wieder behinderte und die Abstimmung bis zum Freitagmorgen hinauszögerte. Konstantopoulou, Tochter eines früheren Vorsitzenden von Synaspismos, der größten Partei innerhalb von Syriza, stellte sich konsequent gegen neue Abmachungen mit den Kreditgebern.

Eine Kommission, die sie zur Untersuchung der griechischen Schuldenkrise ins Leben rief, kam zum Schluss, dass die Verbindlichkeiten des Landes "illegal" und "illegitim" wären und deshalb nicht bedient werden müssten. Gewinnt Tsipras die Vertrauensfrage, ist kaum vorstellbar, wie sich Konstantopoulou noch weiter im Amt halten könnte. Die pro-europäische Opposition verlangt schon seit langem ihren Rücktritt. Ex-Energieminister Panayiotis Lafazanis, der Wortführer der Linken Plattform innerhalb von Syriza, hatte schon kurz vor der Abstimmung die Gründung einer neuen Anti-Sparprogrammpartei angekündigt. Damit ist der Zerfall der Regierungspartei offensichtlich nicht mehr aufzuhalten. (Markus Bernath, 14.08.2015)