Bild nicht mehr verfügbar.

Obama-Anleihen: Corbyns Führung überrascht viele.

Foto: Reuters / TOBY MELVILLE

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters / TOBY MELVILLE

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Reuters / TOBY MELVILLE

Mitten im parlamentarischen Sommer liefert sich die größte britische Oppositionspartei einen erbitterten Kampf um ihre Zukunft. Am Freitag verschickt die Labour-Party an 610.000 eingetragene Mitglieder und Sympathisanten die Wahlzettel für die Kür ihres neuen Vorsitzenden. Jüngste Umfragen lassen eine Sensation vermuten, wenn in knapp einem Monat das Ergebnis bekanntgegeben wird: Der 66-jährige Linksaußen Jeremy Corbyn liegt klar vor seinen drei Mitbewerbern.

Frühere Parteigrößen wie Expremier Tony Blair warnen daher nun vor "der Ausradierung" der 115 Jahre alten Arbeiterpartei. Der wegen seiner Beteiligung am Irakkrieg hochumstrittene dreifache Wahlsieger trommelt im Hausor gan der linksliberalen Intelligentsia gegen den bisherigen Hinterbänkler.

Farblose Konkurrenten

Unter Corbyns Führung werde die Partei die nächste Wahl nicht einfach nur verlieren, schreibt Blair im Guardian: Er erwarte für diesen Fall "eine schwere Schlappe, ja sogar die Vernichtung." Bei der letzten Wahl im Mai hatte Labour gegen den Tory- Premier David Cameron das drittschlechteste Ergebnis seit 1923 (30,4 Prozent) eingefahren. Der Rücktritt von Parteichef Edward Miliband machte den Nachfolgekampf notwendig.

Neben Corbyn bewerben sich Exkabinettsmitglieder Andrew Burnham und Yvette Cooper sowie Elizabeth Kendall – allesamt brave, wenig inspirierende Figuren. Hingegen hat den Veteranen, der in 32 Jahren Parlamentszugehörigkeit nie ein höheres Partei-, geschweige denn ein Regierungsamt innehatte, das Kräftemessen elektrisiert.

Anhänger – routinierte Gewerkschafter wie junge Idealisten – beeindruckt er durch seine ausdrückliche Verweigerung jeder Showbiz-Politik. Das Motto: "Klare Sprache, ehrliche Politik".

Populäre und unpopuläre Forderungen

Corbyn verspricht, die Strategie bei den nächsten Wahlen auf Sieg auszurichten. Schon im nächsten Jahr stehen wichtige Urnengänge in der Hauptstadt London, in Wales und Schottland an. Aber es geht ihm auch ausdrücklich um die nächste Unterhauswahl 2020.

Wie also sähe sein Programm aus? Konservative Sozialkürzungen sollen rückgängig gemacht, die von den Tories pri vatisierten Eisenbahnen wieder in öffentlichen Besitz zurückgeführt werden. Ebenso einige Wasser-, Strom- und Gasversorgungsfirmen. Dies gilt auch in der Bevölkerung als populär.

So wie die Zentralbank in den vergangenen Jahren rund 519 Milliarden Euro zur Unterstützung britischer Banken in die Wirtschaft gepumpt hat, sollten künftig Verkehrsinfrastrukturprojekte finanziert werden. Die keynesianische Schuldenaufnahme will Corbyn allerdings erst beginnen, wenn der Staatshaushalt – voraussichtlich 2018 – wieder ausgeglichen ist. Einstweilen würden höhere Steuern für Unternehmen und superreiche Bürger die sozialen Wohltaten finanzieren.

Für Ende der Monarchie

Außenpolitisch wirbt der Altlinke für die einseitige Abrüstung der britischen Atomwaffen und sogar für den Austritt aus der Nato. Zwar befürwortet er die EU-Mitgliedschaft, hält aber den Umgang der Eurozone mit Athen für "unglaublich brutal". Hingegen scheint Corbyn eine Reihe persönlicher Überzeugungen für sich behalten zu wollen, weil sie die Wählbarkeit der Partei zunichtemachen würden: Dazu gehören die Abschaffung der Monarchie sowie die Vereinigung Irlands.

Ob Corbyn so wirklich Vorsitzender werden kann? Daran könne es seinen Umfragen zufolge derzeit "keinen vernünftigen Zweifel" geben, sagt Peter Kellner vom Meinungsforscher YouGov. (Sebastian Borger aus London, 14.8.2015)