Man versteht die ÖVP nicht mehr. Erst macht sie Reinhold Lopatka zum Obmann ihres Parlamentsklubs, doch wenn er dann seiner Natur folgt, findet sie das peinlich bis beschämend. Haben sie ihn so wenig gekannt? Aber so weit, ihn für seine demokratiepolitisch befremdliche Adoption ÖVP-kompatibler Rückgratakrobaten im Amt abzulösen, wird man auch wieder nicht gehen. So gut man die Empörung über seinen Coup außerhalb der Volkspartei nachvollziehen konnte, so perplex lässt einen nun die interne Gefühlsduselei zurück. Schließlich hat Lopatka nicht aus demokratischem Idealismus gehandelt, er hat es für Geld getan, und dafür sollte man in einer Wirtschaftspartei mit dem Hang zur Eigenvorsorge auf Staatskosten schon etwas mehr Verständnis erwarten können. Nicht auszuschließen auch, dass christlichsoziale Barmherzigkeit mit reuigen Sündern in Lopatka so unvermittelt durchgebrochen ist, dass er kurz zuvor noch gar nicht sagen konnte, über wen sie sich ergießen würde.

So viel sittliches Bauchweh wegen einiger politischer Windbeutel im Parlamentsklub? Da fragt man sich doch, wo einst die innerparteiliche Empörung geblieben ist, als gleich die ganze Haider-Partie zur Ermöglichung eines ÖVP-Bundeskanzlers adoptiert wurde. Abgeordnete, die die Grundsätze der ÖVP aufs Schärfste verurteilt haben – welche Grundsätze eigentlich? -, dürften nun weiterhin am Trog bleiben, jammert es aus der Volkspartei. Ist ja wahr. Aber wo war der Jammer, als überwiegend inkompetente Figuren sogar aus Ministertrögen – um in der Empörungsdiktion zu bleiben – naschen durften und von einem ÖVP-Klubobmann noch gelobt wurden? Die Schäden, die damals angerichtet wurden, waren, mit ihren Nachwirkungen bis heute, unvergleichlich größer als alles, was die vier Akquisitionen Lopatkas im Hohen Haus je anstellen könnten, weil ohnehin dafür gesorgt ist, dass sie nichts dürfen.

Wohlwollend könnte man die innerparteiliche Kritik an Lopatkas Vergrößerung des Klubvermögens als Anzeichen dafür werten, dass in der Volkspartei die Sensibilität gegen politische Unsittlichkeit seit den Schüsseljahren gewachsen ist. Die wird aber nicht so weit gehen, sich von dem Quartett, das einst auszog, mit Onkel Frank die österreichische Welt zu erobern, wieder zu verabschieden. Dieses wird schließlich, so wie der Rest, der Frank Stronach von seiner 25-Millionen-Investition vorläufig noch bleibt, demnächst aus dem politischen Leben wieder verschwinden, ohne außer der Erinnerung an skurrile Auftritte irgendeine Spur hinterlassen zu haben.

Gerade was den finanziellen Aspekt der Angelegenheit betrifft, hätte Lopatka von Stronachs Schicksal gewarnt sein müssen: Man kriegt im politischen Bereich der Human Resources so wenig für sein gutes Geld, und man kriegt nicht mehr, auch wenn es Geld der Steuerzahler ist. Niemand weiß das besser als Stronachs Sprechpuppe Kathrin Nachbaur, die ihre Stimme künftig der ÖVP leihen will. Ich muss und werde mich nicht verbiegen, beteuert sie stets aufs Neue, zuletzt in News. Bisher hat sie das auf Stronachs Ticket gegen die ÖVP getan, künftig halt mit ihr. Egal. (Günter Traxler, 13.8.2015)