Eine Seebärenmutter schnuppert an ihrem Jungen. Wie sich zeigte, spielt vor allem der Geruchssinn eine entscheidende Rolle im Sozialleben der Meeressäuger

Foto: David Vaynor Evans, British Antarctic Survey

Bielefeld – Seebärenmütter erkennen ihren Nachwuchs an deren Rufen, doch dies kann durchaus schwierig werden, wenn in einer Kolonie tausende Seebärenbabys nach ihrer Mutter schreien. Wissenschafter der Universität Bielefeld und des British Antarctic Survey (BAS) in Cambridge haben nun herausgefunden, dass vor allem Geruchsmerkmale das Wiederfinden erleichtern – und, dass diese genetisch vererbt werden.

Duft und Geruchssinn sind die Basis der Kommunikation im Tierreich. Das gilt bei der sozialen Interaktion ebenso wie für Territorialverhalten, Verwandtschaft und Partnerwahl. Um herauszufinden, wie die Geruchskommunikation funktioniert, haben Verhaltensbiologinnen und -biologen der Universität Bielefeld und des British Antarctic Survey Geruchsproben von Seebärenmüttern und ihren neugeborenen Jungtieren von zwei Kolonien auf Bird Island im Südatlantischen Ozean genommen und chemisch sowie genetisch analysiert. Dabei untersuchten sie, welche genetischen Merkmale im Geruch eine Rolle spielen und an welchen Stoffen auf Fell und Haut Mütter ihren Nachwuchs erkennen können. Aus den Proben erstellten die Wissenschafter einen chemischen Fingerabdruck der Tiere.

Chemischer Fingerabdruck

"Für ein Tier, das 80 Prozent seiner Zeit im Meer verbringt, sind unsere Ergebnisse überraschend. Sie zeigen, dass der chemische Fingerabdruck der Seebären facettenreiche Informationen beinhaltet. Wir haben herausgefunden, dass Kolonie, Heterozygotie, also genetische Variation und Qualität, und die Verwandtschaft chemisch codiert sind", sagt Martin Stoffel, Erstautor des im Fachjournal "Pnas" erschienen Artikels. Das bedeutet, dass Seebärenjunge im Geruch ihrer Mutter ähneln, die chemischen Stoffe auf der Haut sind die gleichen. Zudem haben Seebären mit einer höheren genetischen Variabilität ein komplexeres Duftprofil, also mehr verschiedene Gerüche auf der Haut. "Das könnte wichtig für die Partnerwahl sein", glaubt Stoffel, "denn je vielfältiger die Gene, desto größer ist der genetische Werkzeugkasten."

Jedoch dienen nicht alle Geruchsstoffe, die die Wissenschafter auf der Haut der Seebären gefunden haben, der Kommunikation. "Der Geruchssinn ist mehrdimensional. Die Profile sind sehr kompliziert, nur ein kleiner Teil der chemischen Duftstoffe signalisiert die Verwandtschaft", erläutert Co-Autor Joe Hoffman von der Universität Bielefeld. Dass verwandte Seebären einander am Geruch erkennen, könne helfen, Inzucht zu vermeiden und damit genetische Vielfalt zu erhalten. Allerdings gibt es neben den genetischen viele andere Faktoren, die den Geruch eines Tieres bestimmen: Hormone, Umgebung, körperliche Verfassung oder Umwelteinflüsse zum Beispiel. (red, 15.8.2015)