Wenn Menschen völlig in etwas vertieft sind, das ihnen wichtig ist, wird man feststellen, dass sie die Anwesenheit einer Kamera kaum mehr bemerken. Genau dann bekommt man die besten Bilder, weil die Motive nicht schauspielern." Als Alfred Wertheimer im Frühjahr 1956 von der PR-Abteilung von RCA-Victor beauftragt wurde, als Fotograf Elvis Aaron Presley (1935-1977) zu begleiten, blaffte er Anne Fulchino, die zuständige Agentin, an: "Elvis, who?" Wertheimer (1929-2014), Emigrant aus Deutschland, Autodidakt in Sachen Fotografie und Film, inspiriert von Walker Evans, Erich Salomon, W. Eugene Smith, D. D. Duncan und der Stryker-Gruppe, die im Zuge des New Deal die USA dokumentiert hatte, begleitete Elvis drei Jahre lang, am Beginn des kometenhaften Aufstiegs. Wertheimer schuf intime Porträts eines Schüchternen, Bescheidenen, eines Unsicheren auf der Suche nach Stil und Ruhm. Im Bus, im Zug, im Bad, im Bett, bei Proben, bei Auftritten, am Theater. Meist privat.
Augenscheinlich wird Elvis' Konzentration, die Fokussierung auf die Musik, auf Outfit, Attitüden und Bewegungen. Das Charisma des späteren Weltstars ist vorhanden, aber noch ungeschliffen. Es sind ehrliche, intime Momente, die die knapp 3000 Fotos illustrieren. Bilder, die zu Ikonen wurden – und Bilder, die eine Ikone zelebrieren, Elvis zur Ikone erhoben. Entgegen den Usancen seiner Zeit war Wertheimer Anhänger der "Fotografie mit vorhandener Dunkelheit". Der Weg zum Ausnahmekünstler wird in Wertheimers Fotos greif-, begreifbar. Ebenso die Metamorphose vom schüchternen Bürgerlichen zum Womanizer und revolutionären Nonkonformisten. Skurril: Zwei Jahrzehnte lagerten die frühen, intensiven Dokumente des "King" in Wertheimers Archiven. Erst als Elvis am 16. August des Jahres 1977 starb, wurde der Schatz exhumiert. Das nun publizierte Kingsize-Buch kann eine Pilgerfahrt nach Graceland zwar nicht ersetzen, großes Kino ist es allemal! (Gregor Auenhammer, Album, 18.8.2015)