Es gibt auch Missverständnisse. Es gibt Flüchtlinge, die man als undankbar empfinden kann. Manchmal liegt das auch an der medialen Darstellung. Wenn etwa in einem Beitrag über ein Flüchtlingslager nur zwei Betroffene zu Wort kommen: ein Schwarzafrikaner, der sich über die Hitze in Österreich beschwert, und ein Syrer, der beklagt, dass es schon den fünften Tag hintereinander Nudeln zum Essen gibt.

Es gibt Flüchtlinge, die aus Protest Essen auf den Boden geworfen haben. Es gibt sogar solche, die aus Zorn – oder aus Dummheit – die österreichische Fahne verbrannt haben. Was der "Kronen Zeitung" und der FPÖ gottlob entgangen ist. Nicht auszudenken.

Viele Flüchtlinge haben Smartphones; das hat gute Gründe. Und es ist wohl eine Tatsache, dass sich viele Menschen in ihren "Herkunftsländern" ein falsches Bild von dem machen, was sie in Europa erwartet.

Es ist nicht alles nur gut oder böse. Es ist schwierig, gerade die Flüchtlingsbewegungen sind ein hochkomplexes Thema. Es ist eine Herausforderung, sich selbst ein Bild zu machen und zu einer Meinung zu finden, die nicht die Abkürzung über die "Kronen Zeitung" nimmt und von Neid, Hass und Missgunst getragen ist.

Natürlich gibt es sie, die Wirtschaftsflüchtlinge, die "nur" ein besseres Leben suchen, und nein, wir können nicht alle nehmen. Aber es ist eine Tatsache, dass in vielen der Herkunftsländer jener Menschen, die jetzt in Traiskirchen stehen, Krieg, Tod, Verfolgung, Vernichtung und Verzweiflung herrschen. Diese Menschen sind auf der Flucht, da geht es ums Überleben. Das sollte man bedenken, wenn man sich ein Urteil bildet, vielleicht die Nase rümpft, sich abwendet. Da muss man sich in seiner Bequemlichkeit ein bisserl rühren.

Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen ein faires Asylverfahren zu garantieren. Auch ein Recht übrigens, zu dem wir uns verpflichtet haben. Ebenso selbstverständlich sollte es sein, jenen, die Asyl brauchen, dieses auch zu gewähren, ohne nachzurechnen.

Was sich derzeit in Traiskirchen abspielt, ist unter der Würde aller, auch unter unserer. Familien, die im Freien übernachten müssen, Kinder, die auf dem Gelände ohne Versorgung umherirren, kranke Menschen, alte Menschen, schwangere Frauen ohne ärztliche Versorgung. Dass man jenen Menschen, die man in Traiskirchen nicht mehr aufnimmt, aber deren Anträge man entgegennimmt, in der prallen Hitze Busse und Wohnwägen auf dem Gelände zur Verfügung stellt, um die schlimmen Zustände zu mildern, mag gut gemeint sein. Im besseren Fall ist das ein Zeichen der Überforderung und der Hilflosigkeit, im schlechteren doch eines der Bösartigkeit und der Menschenverachtung. Von christlicher Verantwortung braucht da keiner mehr reden.

Dass es die Regierenden in Bund und Ländern nicht besser hinkriegen, diese Menschen anständig zu versorgen und sich um sie zu kümmern, ist ein politisches Armutszeugnis und eine moralische Bankrotterklärung. Dafür muss man sich genieren.

Es ist ein Trost, dass sich immer mehr Bürger und auch ein paar Firmen finden, die Hilfspakete organisieren, Zelte, Matten und Kleidung sammeln, Nahrung und Hygieneartikel vorbeibringen. Hier springen Menschen ein, die Verantwortung zeigen. Mit den Zuständen in Traiskirchen kann man sich nicht abfinden, das darf man so nicht hinnehmen. Wir können das besser. Das können wir doch, oder? (Michael Völker, 12.8.2015)