Viele Großsäugetiere hat der Mensch in Europa nicht übriggelassen. Dieses allerdings gedeiht prächtig.

Foto: Foto: Sebastian Vetter/Vetmeduni Vienna

Wien – Seit den 1980er-Jahren wächst die Zahl der Wildschweine in Europa. In den vergangenen Jahren wurden Wildschweine immer häufiger zum Problem für die Landwirtschaft, wenn sie etwa auf der Suche nach Nahrung die Wälder verlassen, um Felder zu plündern. Auch in Großstadtgebieten werden die mittlerweile zum Kulturfolger gewordenen Tiere immer öfter gesichtet.

Um die europaweite Entwicklung der Populationen zu erheben, sind Forscher der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmed) Wien neue Wege gegangen: "Deshalb haben wir Jagd- und Verkehrsunfallstatistiken ausgewertet und konnten so das Wachstum der Wildschweinpopulation nachvollziehen", so der Wildtierbiologe und Erstautor der im Fachjournal "PLOS ONE" veröffentlichten Studie, Sebastian Vetter.

Mildere Winter, mehr Schweine

Es zeigte sich, dass der Erfolge der Tiere nicht nur an ihrer allgemeinen Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit sowie an ihrer hohen Fortpflanzungsrate liegt, sondern dass auch die Klimaerwärmung eine Rolle spielt. Denn die immer milderen Winter und die Häufung der Jahre, in denen die Tiere ernährungstechnisch aus dem Vollen schöpfen können, kommen Wildschweinen sehr zu Gute.

Der Forscher und seine Kollegen vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) verglichen Temperatur- und Niederschlagsdaten mit den Statistiken aus zwölf europäischen Ländern. Diese Daten erlaubten teilweise Einblicke in die Entwicklung der vergangenen 150 Jahre. Dabei stießen sie auf ein durchgehendes Muster: "Nach milden Wintern wächst die Zahl der Wildschweine stark an. Da milde Winter immer häufiger werden, wachsen auch die Wildschweinpopulationen exponentiell", erklärte Vetter.

Einerseits wirken sich niedrigere Temperaturen direkt negativ auf den Tierbestand aus, da die Schweine dann mehr Energie aufwenden müssen, um im Winter ihre Körpertemperatur zu halten. Vor allem Jungtiere überleben solch harte Winter oft nicht. Im Jahr darauf können dann auch erwachsene Wildschweine weniger Energie zur Aufzucht ihres Nachwuchs. Und er ist im Vergleich zu anderen Paarhufern umfangreich – im Durchschnitt bringt eine Bache immerhin sieben Frischlinge zur Welt.

Mehr Mastjahre

Die Haupt-Energielieferanten der Allesfresser sind Bucheckern und Eicheln. In sogenannten "Mastjahren", in denen diese Bäume besonders viele Früchte tragen, leben die Schweine im Überfluss. Solche Mastjahre treten unregelmäßig auf, wurden in den letzten Jahrzehnten aber immer häufiger. Unter diesen Bedingungen können die Tiere im Winter auf größere Energiereserven zurückgreifen.

Auch dass die Durchschnittstemperaturen in Europa nicht überall gleich angestiegen sind, ändert am Trend nichts. Denn Wildschweine haben regional durchaus unterschiedliche Größen – je nachdem, ob ein kleinerer oder größerer Körper für Winterkälte bzw. Sommerhitze besser geeignet ist. Unterm Strich bleibt laut Vetter daher, dass die Wildschweinpopulationen überall fast gleichzeitig zu wachsen begonnen haben. (red/APA, 12. 8. 2015)