Der indonesische Tänzer Rianto trat prächtig gewandet als Diva des erotischen Tanzes Lengger in die Säulenhalle des Weltmuseums. Dabei spannte er einen Bogen vom Traditionellen zum Zeitgenössischen.

Foto: LawKianYen

Wien – Mit einer unwitzigen Werbekampagne begann vor zwei Jahren eine deutsche Reiseagentur auf sich aufmerksam zu machen. Der Slogan: "Reise dich interessant." Darin geht es nicht mehr darum, "fremde" Sitten kennenzulernen, um andere Kulturen besser zu verstehen. Sondern um das Auftrumpfen mit extraschlichten Anekdoten in der sozialen Umgebung zu Hause.

Eine Herausforderung für ein Museum, das den Kulturen der Welt gewidmet ist, muss sein, solchen Billigstrategien etwas entgegenzusetzen. Im Wiener Weltmuseum hat man das verstanden und zusammen mit dem Festival Impulstanz Künstlerinnen und Künstler aus Tanz und Performance eingeladen, Arbeiten für die – derzeit wegen Umbaus leerstehenden – Räume des Hauses zu entwickeln oder sie darin zu präsentieren. Das umfangreiche Projekt läuft seit Mitte Juli und noch bis Ende dieser Woche.

Ein Teil dieser gelungenen Kooperation ist von Choy Ka Fai, einem Künstler aus Singapur, kuratiert. Unter dem Titel SoftMachine waren und sind neben einer Ausstellung auch Präsentationen zu sehen, die am Beispiel Asien eine Ahnung davon vermitteln, was kulturelle Vielfalt wirklich bedeutet. Was also zum Beispiel der indonesische Tänzer Rianto darüber zu sagen hat, wie er Tanz versteht, und wie das an Demonstrationsbeispielen erfahrbar gemacht werden kann. Rianto kommt aus Zentraljava. In Tokio, wo er heute wohnt, leitet er eine Tanzcompany.

Prächtig gewandet und mit spitznasiger Maske trat Rianto als Diva des erotischen Tanzes Lengger in die Säulenhalle des Weltmuseums. In sorgfältiger Inszenierung stellte er live in Wort und Tanz sowie mit einer von Choy gedrehten Videodokumentation seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis. Dabei spannte er einen eleganten Bogen vom traditionellen zum zeitgenössischen Tanz.

Einem ähnlichen Konzept folgte Surjit Nongmeikapam aus dem nordostindischen Bundesstaat Manipur. Zusammen mit Choy Ka Fai entwarf er eine Vernetzung aus dem indischen Tanz Kathak, der Kampfkunst Kalaripayattu, Tanz- und Kampfchoreografie speziell aus Manipur und – europäischen Formen. Bewusst und mit hintergründiger Ironie spielte er dabei mit Klischeebildungen. Aber nicht solchen aus der Tourismusfalle, sondern mit jenen, die im Kunstfeld entstehen, wenn dort via Exotismus breites Publikum gefischt werden soll.

Blutige Nasen

Die dritte Präsentation war ein Double Feature über Yuya Tsukahara, den Leiter der Tanzformation contact Gonzo aus der japanischen Stadt Osaka. Erst stellte Choy den Choreografen vor, was zu einem schmerzlichen Erlebnis für ihn wurde. Denn contact Gonzo ist eine Mischung aus Contact Improvisation und Raufen. Das ist schon allein deswegen interessant, weil Steve Paxton, in den 1970ern Erfinder der weltweit praktizierten Kontaktimprovisation, diese auch auf Basis der japanischen Kampfkunst Aikido entwickelte. Tsukahara und die Seinen machen Schluss mit der Contact-Freundlichkeit. Das hat Choy gefallen, und er unterzog sich einem körperlichen Austausch mit Tsukahara, der ihm sicher ein paar blaue Flecken eingebracht hat.

Der anschließende Tanz zeigte, dass es bei contact Gonzo noch ein bisserl härter geht. Wenn Mann sich da eine blutige Nase holt, macht er natürlich weiter. Das wirkt auf den ersten Blick einigermaßen Retro-Macho, gehört aber unbedingt auch auf die breite Palette des Genderdiskurses von heute. Vor allem weil im Stück ein respektables Maß an Selbstironie mittanzt, sodass am Ende, wenn die vier Tänzer mit einer großen Mandarinenschleuder aufeinander ballern, einleuchtet: Hier machen sich die Performer über die neurotische Ernsthaftigkeit bestimmter Männerrituale doch zartfühlend lustig.

Abseits des Weltmuseums, in den Mumok-Hofstallungen, zeigte Rita Vilhena, wie man ethnologische Kunstspiele auch in den Sand setzen kann. Aus ihrer Reise nach Brasilien zu den Praktizierenden der Candomblé-Religion generierte sie Emergency Plan, eine aufgepimpte Übersetzung von Candomblé-Ritualen in westliche Choreografie. Immerhin entstammt die Portugiesin dem historischen Umfeld jener Sklavenhandelsgroßmacht, die einst Millionen Afrikaner nach Brasilien zwang. Ein Rätsel, warum Vilhena hier nichts zur Aufarbeitung dieser Geschichte beiträgt. ((Helmut Ploebst, 11.8.2015)