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Jessi Lintl kehrt dem Team Stronach den Rücken.

Foto: apa/pfarrhofer

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Wien – Dem Team Stronach kommt eine weitere Mandatarin abhanden: Jessi Lintl verlässt den Parlamentsklub und wird künftig als fraktionslose Abgeordnete im Nationalrat sitzen. Das kündigte sie am Dienstag im APA-Gespräch an. Schuld sei der neue Klubobmann Robert Lugar: Er habe es "geschafft, in den acht Tagen, seit er zum Klubobmann gewählt wurde, ein völliges Chaos anzurichten".

Lintl nennt zwei konkrete Vorfälle, die für sie "das Maß voll gemacht haben": Lugars Forderung, "dass 1.000 Soldaten nach Syrien gehen sollen", sei "absoluter Wahnsinn". Sie als außenpolitische Sprecherin des Klubs könne so etwas nicht mittragen. "Hier wurde die außenpolitische Linie, die ich von Anfang an vertreten habe, geändert, ohne das mit mir zu besprechen."

Unterstützung für neue Liste nie besprochen

Zweitens empört sie, dass eine neue Wiener Liste von fünf Stronach-Abgeordneten unterstützt wird. Damit sei eine "Grenze überschritten" worden. "Auch das ist klubintern nie besprochen worden", sie habe aus den Medien davon erfahren. "Ich hätte das nie unterstützt", der neue Klubobmann sollte zuerst einmal "schauen, dass er intern das Chaos aufräumt", anstatt sofort eine fremde Liste zu unterstützen".

Sie habe sich von Anfang an gegen den Wechsel an der Klubspitze ausgesprochen. An der Klubsitzung, in der Lugar vergangene Woche einstimmig bestellt wurde, habe sie urlaubsbedingt nicht teilgenommen. Davor aber schon habe sie ihm gesagt, dass sie gegen eine Änderung sei. "Wir müssen Kontinuität zeigen. Wir haben den dritten Klubobmann in zwei Jahren, das ist völlig unseriös. Und mit jedem Klubobmann ändert sich die Klublinie, und so kann es einfach nicht gehen."

Lintl will weiterhin Oppositionspolitik machen

Lintl will sich keinem anderen Parlamentsklub anschließen. Eine Regierungspartei – sie kommt aus der Wiener ÖVP – komme ohnehin nicht infrage, da sie weiter Oppositionspolitik machen wolle. Die "Grundsätze" des Teams Stronach seien nach wie vor in Ordnung, doch "man muss irgendwann auch ehrlich sein und einsehen, dass das Projekt gescheitert ist".

"Ich habe das wirklich mitgetragen die letzten eindreiviertel Jahre", blickt sie zurück auf die turbulente jüngere Geschichte der Partei. "Aber ich bin nicht mehr bereit, dieses ewige Hin und Her mitzumachen."

"Im Chaos versunken"

Lintl will künftig fraktionslos bleiben. Ein Wechsel zu einer anderen Fraktion steht für sie nicht im Raum. Konkret nach der ÖVP gefragt, sagte sie: "Ich bin in Opposition zur Regierung. Da kann ich natürlich nicht zu einer Regierungspartei wechseln. Alles, gegen das ich gearbeitet habe in meiner Zeit im Parlament, vertritt die Regierung." Eine andere Oppositionsfraktion erwäge sie ebenfalls nicht, und auf die Frage, ob eine von ihnen um sie werbe, meinte sie: "Nein, niemand." Sie wolle jetzt "mit dem Team Stronach klar Schiff machen".

Parteigründer Frank Stronach werde sie ihre Beweggründe für den Austritt aus seinem Klub auch persönlich darlegen, wenn sich die Gelegenheit ergebe, meinte sie auf eine entsprechende Frage. Die Grundsätzen, mit denen er sein Team aufgestellt habe, könne sie weiterhin unterschreiben, doch das Projekt sei im Chaos versunken, bedauerte sie.

Lugar: "Jetzt ungünstig"

Der neue Klubchef des Teams Stronach, Robert Lugar, hat sich vom Austritt der Mandatarin Jessi Lintl am Dienstag nicht überrascht gezeigt. "Das war zu erwarten", stellte er nach einer Pressekonferenz zu einem außenpolitischen Thema fest. Sie habe eine "sehr kritische Haltung" ihm gegenüber eingenommen, so Lugar, der nun mit den verbleibenden insgesamt sechs Mandataren weitermachen möchte.

Beim Klubaustritt handle es sich um Lintls Entscheidung, und diese sei zu akzeptieren. Er habe bereits "mit dem Schlimmsten gerechnet", für die politische Arbeit und auch finanziell sieht er aber "nicht wirklich" ein Problem. Lugar räumte jedoch ein: "Natürlich kommt das jetzt ungünstig."

Lugar will in spätestens einem Jahr in den Umfragen wieder einen Wert von vier Prozent erreichen – dies habe er auch Parteiobmann Frank Stronach zugesagt. Sollte dies nicht erreicht werden, müsse man sich eine neue Strategie überlegen, erklärte Lugar am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag.

Klub könnte aus manchen Ausschüssen fliegen

Mit dem Abgang von Jessi Lintl schrumpft der Klub des Teams Stronach von sieben auf sechs Abgeordnete und verliert weiter an Bedeutung im Parlament. Mit sieben Abgeordneten war das Team Stronach noch in allen parlamentarischen Ausschüssen vertreten. Das könnte sich nun ändern.

Das sei eine Frage der Berechnung, die bis zur nächsten Plenarsitzung geklärt werden müsse, sagte Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen.

Die meisten Fachausschüsse bestehen aus 24 Abgeordneten, Unterausschüsse sowie der Unvereinbarkeits-, der Immunitäts- und der Geschäftsordnungsausschuss haben 18 Mitglieder. Bisher war das Team Stronach überall vertreten, das könnte sich nun ändern. "Ab sechs Abgeordneten wird es kritisch", so Zögernitz. Rein rechnerisch (nach dem d'Hondt'schen System) würde das Team Stronach mit nur mehr sechs Abgeordneten aus allen Ausschüssen fliegen. Die kleinstmögliche Größe für einen Ausschuss wäre 28, damit auch das Team Stronach vertreten wäre. Diese Sitze würden sich folgendermaßen verteilen: 8 SPÖ, 8 ÖVP, 6 FPÖ, 4 Grüne, 1 Neos, 1 Stronach.

Nach den Abgängen im Klub Stronach müssen alle Fachausschüsse zwingend neu gewählt werden, der Hauptausschuss und die Unterausschüsse dagegen nicht. Über Größe und Zusammensetzung entscheidet aber die Politik. Auch über die neue Sitzordnung im Plenarsaal bestimmen die Politiker selbst; voraussichtlich in einer Präsidialkonferenz, hieß es aus der Parlamentsdirektion.

Steuerzahler spart 166.051 Euro

Mit dem Austritt Lintls aus dem Klub erspart sich der Steuerzahler 166.051 Euro an jährlicher Klubförderung. Da Lintl keinem anderen Klub beitritt, wandert das Geld, das der Klub Stronach für sie erhielt, zu keiner anderen Partei, wie das bei den letzten vier Stronach-Abgeordneten der Fall war, die zur ÖVP gewechselt sind.

Das Team Stronach müsse überhaupt langsam aufpassen, dass es den Klubstatus nicht verliere, sagte Zögernitz. In diesem Fall gebe es nämlich überhaupt keine Klubförderung, und die Abgeordneten würden aus allen Ausschüssen fliegen. Für einen Klub braucht es mindestens fünf Abgeordnete.

Drei "wilde" Abgeordnete

Lintl ist mittlerweile die dritte "wilde" Abgeordnete. Rupert Doppler und Gerhard Schmid sind die anderen zwei. Sie wurden im Juni aus dem FPÖ-Klub geworfen, weil sie sich auf die Seite des von der Salzburger FPÖ-Spitze abgesetzten Karl Schnell geschlagen hatten.

"Wilde" Abgeordnete fristen ein eher trostloses Dasein, abgesehen von den 8.583 Euro, die sie 14-mal im Jahr bekommen. Sie sitzen meistens in der letzten Reihe, sind in keinem Ausschuss vertreten und kommen erst am Ende einer Debatte zu Wort. Ihre Redezeit ist bei einzelnen Debatten auf fünf Minuten begrenzt, bei Tagesblockredezeiten dürfen sie halb so lange reden wie der kleinste Klub. Immerhin stehen ihnen aber Mitarbeiter zu, für die sie knapp 4.300 Euro monatlich bekommen (APA, 11.8.2015)