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Eine der Demonstrantinnen wird vor dem Eingang des AKW Sendai von Polizisten zurückgehalten.

Foto: REUTERS/Issei Kato

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Die Reaktoren des Atomkraftwerkes Sendai.

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Als könnte ein Satz die Lage beruhigen. "Wir werden höchste Priorität auf die Sicherheitsstandards legen", sagte Michiaki Uriu, Präsident des Betreiberkonzerns Kyushu Electric Power, zum Wiederhochfahren des ersten Reaktors des AKWs Sendai in Satsumasendai auf Japans südlicher Hauptinsel Kyushu. Hunderte von Demonstranten vor dem Eingang des Kraftwerks gaben sich aber nicht so einfach zufrieden. Seit dem Reaktorunglück in Fukushima sind mehr als vier Jahre vergangen – die Erinnerung daran ist aber weiterhin allgegenwärtig.

Die japanische Regierung lässt sich davon nicht beirren. Im September soll auch der zweite Reaktor wieder hochgefahren werden. Ein Gericht hatte im Frühjahr die Sicherheitsstandards der japanischen Nuklearregulierungsbehörde NRA entgegen den Klagen von Bürgern der Region für ausreichend erklärt. Die Mehrheit der Abgeordneten von Satsumasendai hatte zuvor schon für den Neustart votiert. Finanziell überlebt hatte die Stadt die AKW-freie Zeit nur, weil sie Zuwendungen aus einem Regierungsfonds erhielt.

Weniger Geld, gleiches Risiko

Die fünf Kilometer entfernte Nachbarstadt mit dem schwer auszusprechenden Namen Ichikikushikino erhielt nur einen Bruchteil davon. Die dortigen Verantwortlichen brachten ihre Bedenken gegen den nuklearen Neustart deutlich zum Ausdruck. Aber ihr Votum zählt nicht, obwohl sie das gleiche Risiko tragen.

Bereits 1994 hat der Erdbebenforscher Katsuhiko Ishibashi die Erdbebenbaustandards in Japan kritisiert – ein Jahr später starben beim Erdbeben von Kobe 6000 Menschen. 1997 schrieb er über die mangelnde Erdbebensicherheit und den nicht ausreichenden Schutz vor Tsunamis in den Kernkraftwerken – eine berechtigte Warnung, wie sich 2011 in Fukushima auf grausame Weise zeigte.

Forscher warnen

Auch beim AKW Sendai warnt Ishibashi jetzt vor einem Erdbeben, weil dort die Pazifische und die Philippinische Erdplatte aufeinandertreffen und es daher regelmäßig zu großen Erdbeben kommt. Als wäre dies nicht schon genug, ist Sendai auch noch von mehreren Vulkanen umgeben. Bei einer 2013 bei Vulkanologen durchgeführten Befragung zur Gefährdung von Kernkraftwerken durch Vulkane wurde jenes in Satsumasendai als das am meisten gefährdete in Japan bewertet.

Abseits davon bemängeln Kernkraftgegner die ihrer Meinung nach völlig unzureichenden Evakuierungspläne. Ursprünglich sollten sie für einen Umkreis von 30 Kilometern um ein AKW erstellt werden – konzipiert wurden sie letztendlich für zehn Kilometer. Für die weitere Umgebung sollen Greenpeace zufolge Krankenhäuser und soziale Einrichtungen selbst Notfallpläne erstellen. Ein organisatorisches Chaos ist so im Ernstfall nahezu unvermeidlich.

Ex-Premier demonstriert mit

Nicht nur in Satsumasendai, auch in Tokio wurde seit Tagen gegen die Rückkehr zur Atomkraft protestiert – mittendrin befand sich Naoto Kan, Premierminister zur Zeit der Katastrophe in Fukushima. Nach dieser ist eine neue Protestkultur im Land entstanden. Die Japaner nehmen nicht mehr so gefügig wie zuvor hin, was die Regierung ihnen verordnet. Sei es bei der Kernkraft, der Ausdehnung der Rolle der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte oder dem immer teurer werdenden Bau eines Olympiastadions.

Zwar kamen zu der Demonstration vor dem Amtssitz von Premierminister Shinzo Abe am Abend des AKW-Starts nur rund 500 Demonstranten, ihr Lärm war aber ohrenbetäubend. Außerdem wächst die Unzufriedenheit mit Abes Politik. Zu den von der Regierung angestrebten 20 bis 22 Prozent, die die Atomenergie bis 2030 zur Stromversorgung beitragen soll, könnte es also noch ein weiter Weg sein. (Siegfried Knittel aus Tokio, 11.8.2015)