Der Westen will den Hahn für Gazprom zudrehen

Die westlichen Sanktionen sind bis in Russlands fernen Osten vorgedrungen. Auf der neuen schwarzen Liste der USA taucht die Öl- und Gaslagerstätte Kurinskoje Süd vor der Küste Sachalins auf. Das erste Mal gerät damit der russische Energieriese Gazprom, der das Gasfeld erschließen will, in Washingtons Visier. "Export, Reexport und Transfer aller Positionen, die der Exportkontrolle unterliegen, bergen ohne vorherigen Lizenzerhalt des Bureau of Industry and Security für diese Lagerstätte nach Ansicht der US-Regierung die Gefahr einer Sanktionsverletzung", heißt es im Amtsblatt des Weißen Hauses.

Kurinskoje Süd beherbergt lediglich sechs Millionen Tonnen Öl, aber dafür 636 Milliarden Kubikmeter Gas und 97 Millionen Tonnen Gaskondensat. Die Lagerstätte gehört zum Milliardenprojekt Sachalin-3, an dem auch westliche Petrolkonzerne, wie Shell interessiert sind.

Mitten ins Herz

Washington hat mit Kurinskoje Süd den wunden Punkt Gazproms getroffen. Ohne entsprechende Ausrüstung, die vor allem in den USA hergestellt wird und deren Lieferung nun verboten ist, kann das Schelfgas nicht gewonnen werden. Kurinskoje Süd ist Basis sowohl für die Realisierung von Sachalin-3 als auch für die geplante Erweiterung einer LNG-Anlage.

Shell vor dem Absprung?

Russischen Medienangaben nach ist damit die Kooperation mit Shell gefährdet. Der Konzern war im Gegenzug zum Einstieg bei Sachalin-3 bereit, Gazprom bei der Verwirklichung der zweiten Ostseepipeline Nord Stream-2 zu helfen, mit deren Hilfe Moskau sich vom Gastransit durch die Ukraine lösen will. Eine offizielle Stellungnahme zum weiteren Vorgehen gibt es von Konzernseite noch nicht. Ein Shell-Sprecher betonte, dass sich der Konzern an "Handelsmaßnahmen und Sanktionen" halten werde.

Stirnrunzeln in Brüssel

Mit den neuen Sanktionen hat Washington sich auch über Brüsseler Bedenken hinweggesetzt. Die EU hatte bisher darauf bestanden, dass der Gassektor von den Sanktionen unberührt bleibt, weil in Brüssel Gegenmaßnahmen aus Moskau befürchtet wurden – Europa bezieht sein Gas zu etwa einem Drittel aus Russland, in einzelnen Ländern ist der Anteil russischen Gases aber wesentlich höher.

So blieb Gazprom bislang vom Handelskrieg auch weitgehend verschont. Die Einschränkungen im Finanzmarkt bekam eher die in der Arktis operierende Novatek zu spüren. Spannungsfrei ist das Verhältnis Gazproms zur EU-Kommission freilich nicht. Brüssel wirft dem russischen Staatskonzern die Ausnutzung seiner Monopolstellung vor. Bis September muss Gazprom zu den Vorwürfen Stellung nehmen. (André Ballin aus Moskau, 11.8.2015)