PRO: Strenger prüfen

von Petra Stuiber

Bevor es wieder heißt, hier werde ein Generalverdacht über die braven, bienenfleißigen Österreicher ergossen: Selbstverständlich sollen jene, die einen Kuraufenthalt brauchen, einen solchen auch bekommen. Das Problem ist nur: Genau das findet nicht statt.

Für Patienten etwa, die nach längerem Aufenthalt auf der Intensivstation enorm geschwächt sind, gibt es in Österreich schlicht kein Kurangebot. Dafür gibt es das, was Profil jetzt unter dem Titel "Volkssport Kur" zusammengefasst hat: Viele Kurgänger haben vieles im Sinn, aber leider keine Verbesserung ihrer Gesundheit. Man fährt billig auf Urlaub und hält das für sein wohlerworbenes Recht. Auf der anderen Seite stehen Gemeinden in Randlagen mit teils riesigen Kureinrichtungen, die Arbeitsplätze schaffen. Kein Wunder, dass an dieses Thema niemand rühren will.

Zurück zur Kur: Jeder kennt jemanden, der fit wie ein Turnschuh ist und trotzdem regelmäßig "kurt". Und jeder kennt die Erzählungen vom Kurgast, der sich entnervt den mahnenden Vortrag der Diätologin anhört, sich dann in der Küche beschwert, dass das Essen "wie im Krankenhaus" schmecke, auf die Terrasse rauchen geht und sich anschließend zur Heurigenpartie mit anderen Kurgästen verabredet. Von Bewegung, abseits der ohnehin immer spärlicher genehmigten "Behandlungen", keine Rede.

Dieses Geld der Beitragszahler ist schlecht investiert. Hier muss mehr hinterfragt und strenger geprüft werden. (Petra Stuiber, 10.8.2015)

KONTRA: Nicht raunzen

von Michael Simoner

"Eine medizinische Maßnahme zur Erhaltung und Festigung der Gesundheit beziehungsweise zur Linderung von chronischen Leidenszuständen." Das ist laut Gesundheitsministerium die Definition von Kur. Hört sich eigentlich recht vernünftig an.

Trotzdem will Peter McDonald, Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, die Kur-Kriterien ändern. Was hier in Wahrheit – bewusst oder unbewusst – angestoßen wird, ist eine Debatte über Sozialschmarotzertum: Leute, die es gar nicht notwendig hätten, liegen uns allen auf der Tasche, lautet der Vorwurf zwischen den Zeilen.

Ebenso populistisch könnte man freilich entgegnen, dass Versicherungen immer raunzen, wenn es an die Einlösung von vereinbarten Leistungen geht. Durchschnittlich 1900 Euro für eine dreiwöchige Kur mögen kein Pappenstiel sein. Aber es ist nur ein Bruchteil davon, was die Kurgäste, meist ältere Semester, ohnehin schon in die Gemeinschaftskasse eingezahlt haben.

Wer Kur mit Urlaub vergleicht, sollte bedenken: Nicht jeder kann sich regelmäßige Besuche in der Wellnessoase leisten. Und im Gegensatz zum fakultativen Mitmachprogramm im All-inclusive-Freizeitpark ist ein Kur-Stundenplan kein Spaß. Wer jemals gesehen hat, wie sehr sich Lungengeschädigte bei der Festigung ihrer verbliebenen Gesundheit plagen, kann die Sinnhaftigkeit einer Kur nicht infrage stellen. (Michael Simoner, 10.8.2015)