Aus zarten Fäden gebaut: die unbeeindruckte Pomona.

Foto: KHM-Museumsverband

Wien – Sie gehörten für die Herrschenden des 16. Jahrhunderts zum Prunkvollsten, was zu bekommen war: Tapisserien, also riesige, gewirkte Wandbehänge. In mythologischen Szenen spiegelten sie Königen deren Tugenden zurück. Oder nährten mit Darstellungen erfolgreich geschlagener Schlachten dynastischen Stolz. Bei Hochzeiten oder Geburten veredelten sie die Atmosphäre. Freilich vermochten Gemälde das mitunter auch. Tapisserien konnte man allerdings leichter auf Reisen mitnehmen.

Eine Ahnung der Anziehungskraft, die auf Karl V. oder Heinrich VIII. wirkte, bekommt man in der Sonderausstellung Fäden der Macht des Kunsthistorischen Museums (KHM). Einzig das besondere Schauspiel, das sich gezeigt haben muss, wenn die Gold- und Silberfäden edler Tapisserien vom Feuerschein erleuchtet wurden, wird man sich ausmalen müssen. Die Wandbehänge sind enorm fragil. Weil den Textilien im aufgehängten Zustand schon das eigene Gewicht schadet, werden sie allenfalls temporär gezeigt.

Detailreiche Szenerien

Im KHM nähert man sich im abgedunkelten Raum Darstellungen, vor deren Ausmaßen man sich winzig fühlt und deren Geschichten einen einsaugen: etwa jene von der Begegnung Vertumnus' mit Pomona, wie Ovid sie in den Metamorphosen erzählt hat.

Acht Gestalten nimmt der Gott der Jahreszeiten an, um die Göttin der Baumfrüchte aufzureißen. Er tritt ihr als Bauer oder als Fischer entgegen, bis er schließlich als alte Frau – und mit einer ermahnenden Geschichte – Erfolg hat. Im KHM balzt Vertumnus als Winzer um Pomona. Die Vorlage des flämischen Malers Pieter Coecke van Aelst bettet die beiden indes in eine detailreiche Szenerie aus einem Renaissancegarten und illusionistischer Architektur ein.

Höher gelegene Feinheiten holt man sich per Ferngucker heran. Man schweift durch einen Kosmos, der mit seinem Detailreichtum ein Gespür für den Zeit- und Kostenaufwand der Wirkkunst vermittelt. An einem halben Quadratmeter soll man einen Monat gewirkt haben. Weil das kostet, konnten Tapisserien nicht zuletzt pekuniäre Potenz zum Ausdruck bringen, respektive, wie man sagt, repräsentieren.

Neue Bilder in alten Medien

Eingeladen wurden aber auch Gegenwartskünstler, die sich Tapisserien in ihren Arbeiten zu eigen machten. Bei Margret Eicher etwa treffen gemeinhin allzu flüchtige Bilder auf ihr Gegenteil, auf ein Medium, das Zeit in Anspruch nimmt: Ihre Wandbehänge zeigen moderne bzw. surreale Kriegsszenarien. Weniger überzeugen will Nives Widauers Installation Gone, in der das Videobild einer vom Betrachter wegschreitenden Frau auf einen Wandbehang mit weiter Landschaft projiziert ist. Ein bisschen zu austauschbar scheint hier das Medium Tapisserie zu sein. (Roman Gerold, 10.8.2015)