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Wie viele Hotelbetten belegt sind, sagt noch nicht viel über die Situation des heimischen Tourismus aus, wissen Experten.

Foto: DPA / Oliver Berg

Innsbruck – Der jährliche Rekord ist in Tirol die Norm. Touristische Gipfelleistung hier, noch einmal mehr Ankömmlinge in dieser und jener Region, man muss nur auf die Homepage des Landes schauen, aktuelle Statistik: über 4,1 Millionen Nächtigungen im Sommer 2015 alleine bis Ende Juni, natürlich mit Plus zum Vorjahr. Jubelmeldungen aus der Sparte Tourismus ist der Tiroler gewohnt.

Neben den Nächtigungen ist die zweite viel zitierte Kennzahl, die der Ankünfte – also wie viele Menschen innerhalb einer gewissen Zeitspanne einen Ort besucht haben. "Diese Zahlen bilden eine Mengendimension ab. Im Marketing sind sie ein wichtiger Faktor, über die betriebswirtschaftliche Situation sagen sie aber wenig aus", erklärt Hubert Siller, Leiter des Instituts für Tourismus der Fachhochschule Management Center Innsbruck (MCI).

Wertschöpfung nicht öffentlich

Er ist mit dieser Ansicht nicht alleine. Die meisten Experten auf diesem Gebiet werden ihm dabei zustimmen: "Mit vielen Nächtigungen verdient man noch kein Geld. Maßgeblich ist, was die Touristen ausgeben", sagt Siller. Die entscheidende Maßzahl also: die Wertschöpfung. Denn: "Ständige Nächtigungsrekorde implizieren, es geht dem Tourismus wunderbar. Wird die Leistung zu einem zu niedrigen Preis verkauft, stimmt das aber überhaupt nicht."

Auf Nachfrage beim Land Tirol wird aus der Statistikabteilung ausgerichtet, dass es Zahlen zur Wertschöpfung nicht gebe – man könne die "nicht festmachen". Siller liegen solche sehr wohl vor, er dürfe sie allerdings nicht veröffentlichen. Nur so viel: "Grundsätzlich ist die Entwicklung Tirols nicht schlecht, problematisch ist jedoch die regionale Verteilung." Und: Über 70 Prozent der Wertschöpfung sei den Wintermonaten zu verdanken.

"Billiger Massentourismus"

"Wir haben in Tirol quantitativ zu viel Tourismus. Das will niemand zugeben, aber wir leben von billigem Massentourismus, der von mäßig qualifizierten ausländischen Arbeitskräften getragen wird", sagt Andreas Braun, ehemals langjähriger Direktor der Tirol Werbung und einer der entscheidenden Köpfe hinter der Umsetzung der Swarovski- Kristallwelten, eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Österreichs.

"Es gibt zahlreiche ohnmächtige Mittelbetriebe, die durch strukturelle Probleme in ihrem Rad gefangen und zum Sterben verurteilt sind", sagt Braun. Worauf das Land seiner Ansicht nach längst setzen müsste: "Intelligenten Ganzjahrestourismus", der mit der Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und dem Agrarsektor verknüpft ist und in dem Nischen erarbeitet werden können, die auch exportfähig sind.

"Veränderung unbequem"

Als Beispiele nennt er Erlebnisökonomie oder Hotels für Forscher – eben innovative Hybride, die den Tourismus für junge Leute wieder attraktiv machen würden. "Tirol verfällt regelmäßig in selbstgefällige Affirmationen, dass man der Tourismuskaiser sei. Durch diese Verdrängungspolitik wird darauf vergessen, den Betrieben nachhaltige Perspektiven zu bieten", sagt Braun. "Veränderung ist eben unbequem." (Katharina Mittelstaedt, 8.8.2015)