ARD-Journalistin Anja Reschke tritt entschieden gegen Hasspostings auf.

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Es waren selten klare Worte, die Anja Reschke, die Chefin der Reportagesendung "Panorama" im ARD und NDR, am vergangenen Mittwoch fand. In einer kurzen Rede fasste sie das derzeitige Klima bei Debatten zu Flüchtlingen zusammen. Würde sie die Forderung äußern, Deutschland solle auch sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen, würde darüber nicht sachlich debattiert, sondern eine Welle an hasserfüllten Kommentaren folgen. Dabei würden deren Verfasser sich immer seltener hinter Pseudonymen verstecken, sondern mit Echtnamen auftreten.

Sie forderte einen zweiten Aufstand der Anständigen, eine einst nach einem Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf im Jahr 2000 vom damaligen deutschen Kanzler Gerhard Schröder artikulierte Forderung. 15 Jahre später haben sich nun derartige Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gehäuft. Wer nicht der Meinung sei, Flüchtlinge sollen "verjagt, verbrannt oder vergast" werden, solle auch im Netz aufstehen, seine Meinung kundtun und Hetzer an den Pranger stellen. "Ich freue mich jetzt schon auf die Kommentare zu diesem Kommentar", schloss Reschke ihren Appell.

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Erwartbare Reaktionen

Und die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Zahlreiche Nutzer spendeten der Journalistin virtuell Beifall und berichteten auch von negativen Erlebnissen im Netz. Andere wiederum unterstellten ihr, lediglich eine von der Senderleitung diktierte Meinung abgelesen zu haben und die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen.

Tags drauf, so schreibt Heise, legte Reschke in einem Interview nach. Sie forderte, dass auch die Politik klarer Stellung beziehen sollte. Wenn etwa in Freital mit fremdenfeindlichen Parolen demonstriert würde, sollte zumindest ein Minister oder besser gleich Kanzlerin Merkel deutliche Worte finden.

Netz vs. Realität

Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit das Phänomen Hasspostings im Netz selbst entsteht und wie repräsentativ die wütenden Kommentare sind. Heise zitiert hierzu Juliane Leopold, Chefredakteurin von Buzzfeed Deutschland. Ihre Einschätzung: "Online-Phänomene gibt es nicht". Die derzeitige Stimmung spiegle einen Rechtsruck der einstigen Mitte der Gesellschaft wieder. Nur auf sozialen Netzwerken gegen den Hass aufzutreten sei nicht ausreichend und werde "keinen Rassisten bekehren".

Allerdings bedeute eine Mehrheit der hetzerischen Postings nicht auch eine Mehrheit in der realen Welt. Nur zehn Prozent der User würden im Netz überhaupt interagieren, erklärt Leopold. Die meisten davon beschränken sich demnach darauf, Beiträge zu teilen oder zu "liken". Im Schnitt schreibe nur ein Hundertstel Kommentare zu Artikeln – oft jene, die dem Inhalt ganz und gar nicht zustimmen.

Bekannte Persönlichkeiten gegen Hasspostings

Neben Reschke haben sich auch andere Prominente kritisch zu den vielen hasserfüllten Beiträgen im Netz geäußert. ZiB2-Anchorman Armin Wolf hatte in Richtung deren Verfasser etwa den Kommentar "Es gibt schon schöne Trotteln" eingestreut, was unter anderem eine in rechten Kreisen initiierte Massenmail-Aktion an den ORF-Publikumsrat zur Folge hatte.

Der deutsche Schauspieler Til Schweiger sah sich nach einem Aufruf zur Unterstützung eines Spendenprojekts ebenso mit einem Schwall an wütenden Kommentaren konfrontiert. Er reagierte barsch und forderte die Schreiber dazu auf, sich von seiner Facebook-Seite zu "verpissen". Mittlerweile hat der "Tatort"-Star angekündigt, ein Flüchtlingsheim zu bauen. (gpi, 07.08.2015)