Den Ägyptern und Ägypterinnen, die das denn wollen, sei es vergönnt, einen Tag lang im nationalen Glück des "neuen Suezkanals" zu schwelgen: Sie haben sonst nicht viel zu lachen. Präsident Feldmarschall Abdelfattah al-Sisi nützt die Fertigstellung des 35 Kilometer langen Kanal-Bypass-Projekts geschickt, um seinen Landsleuten in einer besonders schwierigen Situation eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft zu bauen. Kriege, Terrorismus, innere Spaltung, Staatsauflösungstendenzen im Nahen Osten: Ägypten ist wie ein Fels in der Brandung.

Wichtiger als die historischen Reminiszenzen an die Suezkanal-Eröffnung ist, was die Nationalisierung des Kanals 1956 für Ägypten und die gesamte arabische Welt bedeutete. Dass das größte arabische Land die führende Rolle, die es unter Nasser innehatte, später verlor, ist eine schwärende Wunde im ägyptischen Selbstverständnis.

Deshalb war es so wichtig, dass die Durchführung, aber auch die Finanzierung der Kanalerweiterung made in Egypt war: Auch die neureichen arabischen Golfstaaten, die Sisi nach dem Sturz Mohammed Morsis die nötige finanzielle Bewegungsfreiheit schafften, wurden nicht gebraucht. Doch der nationale Impetus, den der "neue Suezkanal" auslöst, ist alleine nicht genug, um Ägypten wieder auf die Beine zu stellen. Es ist ein von der restlichen ägyptischen Realität abgekoppeltes Projekt, das letztlich die stärkt, in deren Händen es ruht: die Armee. (Gudrun Harrer, 6.8.2015)