Wenn sich ein ÖVP-Klubobmann zum Machiavelli der katholischen Provinz aufschwingt, kann dabei nichts anderes herauskommen als jene intrigante Gschaftlhuberei, die Geld in die Kassen seines Klubs spült und das Ansehen der Politik in den Augen der Bevölkerung noch einmal sinken lässt, obwohl man das in einem Land kaum noch für möglich halten würde, wo die Verfassung geändert werden soll, nur um etwas Menschlichkeit in angeblich christliche Seelen zu zwingen. Für einen Generalsekretär von Wolfgang Schüssel, der seine schwarz-blaue Koalition auf einer Lüge aufbaute, kommt Lopatkas jetzige Fledderei am Kadaver des Teams Stronach nicht wirklich überraschend. So wie Schüssel vor der Nationalratswahl 1999 gelobte, als Drittstärkster in Opposition zu gehen, um sich danach von Jörg Haider zum Bundeskanzler machen zu lassen, so schloss Reinhold Lopatka den Zulauf von Abgeordneten des Teams Stronach noch aus, als dieser längst feststand. Er sei doch noch bei Sinnen.

Wenn man den fliegenden Wechsel in einen anderen Parlamentsklub für Wählertäuschung hält, dann hat sich Lopatka dieser Täuschung mitschuldig gemacht, und die schnippische Art, mit der er darüber hinwegtäuschen und zur Tagesordnung übergehen will, könnte er ebenfalls von seinem Lehrmeister übernommen haben. Im Vergleich dazu ist jede Aufregung ob der Prostitution der Klubwechsler und deren Auslegung des freien Mandats unbedeutend. Angesichts ihrer politischen Vergangenheit ist die Versuchung nicht groß, ihnen ein Übermaß an Charakter zuzuschreiben. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass sie bis zur nächsten Wahl – und länger werden sie kaum überleben – ihrem neuen Biotop mit Glanzlichtern ihres Geistes zu feurigem Leben verhelfen. Da überrascht schon eher, dass Lopatkas Meinung, die vier passten doch gut in den ÖVP-Klub, nicht sofort zu einem Aufschrei unter dessen prinzipienfesteren Mitgliedern geführt hat.

Im Übrigen hat die ÖVP schon besser im Trüben anderer Parteien gefischt. Man erinnere sich nur an die Adoption eines Karl-Heinz Grasser, der von der Regierungsbank des Nationalrates aus die Lüge von seinem ausgeglichenen Budget verbreiten durfte – zum begeisterten Applaus aus den Reihen der Volkspartei. Wenn nicht einmal sein Finanzgenie das Ende von Schüssels Kanzlerschaft verhindern konnte, werden die vier, die bis gestern noch dem Wirtschaftsgenie Frank Stronach per Ehrenkodex verpflichtet waren, das Kraut auch nicht fett machen. Aber wenigstens ein Ehrenkodex bleibt ihnen in Lopatkas Parlamentsklub erspart.

Es gehe darum, nicht alles, was rechts von der ÖVP steht, der FPÖ zu überlassen, versucht sich Lopatka sein Treiben schönzureden. Viel wahrscheinlicher ist, dass er mit seiner Aktion das, was derzeit nur rechts von der ÖVP, aber noch nicht in der FPÖ ist, dieser endgültig zutreibt. Der Schleichhandel mit Mandaten ist Wasser auf die Mühlen jener, die von der parlamentarischen Demokratie ohnehin nicht gar so viel halten und sich nach einem starken Mann sehnen. Eine Koalition mit diesen Kräften will Lopatka nicht im Sinn haben. Jedenfalls derzeit nicht. Er ist doch noch bei Sinnen. (Günter Traxler, 6.8.2015)