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Typische Kleinbetriebe wie Winzer in der Toskana versuchen über die Plattform AIM alternative Geldquellen erschließen.

Foto: AP/Schindler

Immer noch beschaffen sich Italiens Unternehmen 75 bis 80 Prozent ihres Finanzbedarfs über Banken. Allerdings hat der Kreditengpass in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass sie zusehends zu Alternativen greifen, zum Beispiel zu Unternehmensanleihen. Damit die laut EU-Zahlen rund 3,7 Millionen kleinen und mittelgroßen Firmen des Landes (99,9 Prozent aller Unternehmen) dabei keinen Schiffbruch erleiden, hat die Borsa Italiana gemeinsam mit ihrer Muttergesellschaft London Stockex- change 2012 das Projekt "Elite" entwickelt.

Es handelt sich um ein Schulungsprogramm für kleinere Firmen, das verschiedene Möglichkeiten der Fremdfinanzierung aufzeigen soll. "Wichtig ist, die psychologische Barriere zu brechen, um den Unternehmen eine neue Finanzkultur zu vermitteln", erklärt Luca Peyrano, der für die Primärmärkte an der Borsa Italia zuständig ist und das Projekt leitet. "Elite" sei ein kapitalneutrales Programm, das den Unternehmen den Zugang zu sämtlichen Finanzierungsformen ermögliche. Auch Firmen ohne Börsennotierung steht das Programm offen.

Die EU hat "Elite" inzwischen unter den zahlreichen nationalen Schulungsprojekten als beispielhaft hervorgehoben, um kleine und mittlere Unternehmen an die Kapitalmärkte heranzuführen. Italiens Regierungschef Matteo Renzi zeigte sich vor kurzem stolz darüber, dass "Elite" so große Anerkennung gefunden habe. Das Programm ist auch Unternehmen aus dem Ausland zugänglich.

Glaubwürdiges Wachstumsprojekt

An dem vor drei Jahren initiierten Projekt nehmen bisher 271 Unternehmen aus 17 Ländern mit einem Gesamtumsatz von 22 Milliarden Euro teil. Den Großteil stellen italienische Firmen. Auch Unternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als fünf Millionen Euro sind mit von der Partie. Voraussetzung ist, dass sie ein qualifiziertes Management aufweisen und ein glaubwürdiges Wachstumsprojekt präsentieren.

Allein in den vergangenen zwölf Monaten sind 100 Unternehmen neu hinzugestoßen. "Das Interesse an mehr Finanzkultur wächst auch im Ausland", erklärt Peyrano. In Osteuropa, etwa in Polen und Rumänien, sieht er ein großes Potenzial. Kontakte bestehen inzwischen auch zu österreichischen Unternehmen. Verstärkt Interesse kommt auch aus Spanien, Frankreich sowie Deutschland. Zwei deutsche Firmen befinden sich bereits auf der Teilnehmerliste.

Das Anliegen der kleineren Unternehmen sei in ganz Europa dasselbe, sagt Peyrano: Sie suchen finanzielle Unterstützung "mit wenig Bürokratie" und nützliche Informationen. Untergliedert in Bereiche, komme die stärkste Nachfrage für das Programm aus der Konsumgütersparte. Im Alternative Investment Market (AIM), der mittleren und kleinen Firmen vorbehaltenen Plattform, wagten zuletzt der nordostitalienische Weinhersteller Masi Italia und der Pharmadienstleister Bomi Italia den Börsengang.

Sandro Boscaini will seine Familienkellerei Masi durch Zukäufe zu einem regionalen Luxus-Kellerei-Verbund ausbauen, der global mithalten kann, ohne die Traditionen und Werte der einzelnen Weine zu verraten. Ihm nachtun will es auch der traditionsreiche Winzer Frescobaldi aus der Toskana, der derzeit ebenfalls am "Elite"-Programm teilnimmt.

Paneuropäisches Netzwerk

"Mein Traum ist, dass das Projekt innerhalb von fünf Jahren zum wichtigsten paneuropäischen Netzwerk, zum Treffpunkt für Investoren und für kleine und mittlere Unternehmen avanciert", sagt Peyrano. "Wir wollen, dass Unternehmen verschiedenartige Finanzierungsformen kennenlernen. In den USA und in Großbritannien erfolgen nur mehr 20 bis 25 Prozent der Unternehmensfinanzierung im KMU-Sektor über Banken."

Das Programm dauert bis zu drei Jahre. In den ersten zwei Jahren ist die Schulung mittels einer Business-School vorgegeben, wobei Eliteschulen wie etwa die Mailänder Bocconi oder das Imperial College aus London sich an dem Programm beteiligen. Die Kosten belaufen sich auf 10.000 Euro pro Jahr. Die nächste Phase sieht ein Coaching der Manager durch ausgewählte Berater vor. Der Fokus liegt dabei auf den Vor- und Nachteilen beim Führen von Familienbetrieben und darauf, wie diese ihren Inlandsmarkt noch besser erschließen können. In Phase drei werden Kontakte zu Private-Equity-Unternehmen hergestellt, Möglichkeiten von Unternehmensfusionen oder eines Börsengangs besprochen.

In den vergangenen zwölf Monaten haben den Angaben nach 15 Firmen Private-Equity-Partner gefunden, drei den Börsengang gewagt, weitere 15 Unternehmen mittelfristig einen Börsengang angekündigt, 16 Unternehmen haben Bonds im Gesamtwert von 330 Millionen Euro emittiert. 70 Betriebe haben zugekauft oder fusioniert oder sind Joint Ventures eingegangen. "Wir kämpfen vor allem gegen das Problem der Unbeweglichkeit im Finanzierungsbereich für mittelständische Unternehmen an", veranschaulicht Peyrano. (Thesy Kness-Bastaroli, 7.8.2015)