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Die schwarz-blaue Regierung führte 2000 eine Ambulanzgebühr ein – im Bild eine Szene aus der Dermatologischen Ambulanz des AKH Wien. Der Verfassungsgerichtshof hob sie 2003 als verfassungswidrig auf.

Foto: APA / Hans Klaus Techt

Wien – Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP lehnen die Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr ab. SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger meinte am Donnerstag, sie hätten keine sinnvollen Steuerungs- und Finanzierungseffekte, "ihre einzige Wirkung ist es, die Schwächsten von medizinischer Versorgung fernzuhalten".

Auch sein ÖVP-Kollege Erwin Rasinger sagte: "Der Lenkungseffekt tritt nicht ein, der Finanzierungseffekt ist sehr mäßig." Rasinger sagte zur APA, Ambulanzgebühren seien zwar von der Theorie her überlegenswert, einiges spreche dafür. Österreich habe aber damit unter Schwarz-Blau schlechte Erfahrungen gemacht, ebenso wie Deutschland mit der Arztgebühr.

Von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) kommt ebenfalls ein klares Nein zur Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr. "Unter mir wird es sicherlich keine Eintrittsgebühr in die Spitäler geben", sagte sie im Ö1-"Mittagsjournal". Oberhauser verwies auf die Gesundheitsreform mit dem angestrebten Ausbau des niedergelassenen Bereichs.

Schwarz-blaues Experiment gescheitert

Die schwarz-blaue Koalition hat im Jahr 2000 in Österreich eine Ambulanzgebühr eingeführt. Diese wurde aber bald wieder vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) zunächst wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung und 2003 dann schließlich wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben.

In der Praxis scheitere die Ambulanzgebühr an den nötigen Ausnahmen etwa für chronisch Kranke, an der Einhebung und am fehlenden Angebot im niedergelassenen Bereich, sagt ÖVP-Gesundheitssprecher Rasinger. Mit der Ambulanzgebühr könnte man seiner Ansicht nach maximal 100 Millionen Euro einheben, dem stünde aber nicht nur die Einhebungsbürokratie entgegen, sondern auch der "politische Wirbel".

SPÖ-Gesundheitssprecher Spindelberger hält Ambulanzgebühren für keinen konstruktiven Lösungsvorschlag. Seiner Meinung nach sind die kurzen Öffnungszeiten im niedergelassenen Bereich der Hauptgrund für den Andrang auf Ambulanzen. "Im Rahmen der Gesundheitsreform soll genau das angegangen werden: Die Patientinnen und Patienten brauchen ganztägig eine wohnortnahe medizinische Versorgung als Alternative zur Spitalsambulanz".

Zuvor hatte sich bereits Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger gegen die Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr ausgesproche. Er lehnt damit den Vorschlag des Salzburger Landesrates Christian Stöckl (ÖVP) ab, der auch vom stellvertretenden Kurienobmann der angestellten Ärzte, Karlheinz Kornhäusl, unterstützt wird. Wechselberger plädierte im APA-Gespräch stattdessen für ein Bonussystem für die Patienten.

Bonus statt Gebühr

Um die überfüllten Ambulanzen zu entlasten, tritt Wechselberger dafür ein, dem Patienten einen "Benefit" zu gewähren, damit er stattdessen in niedergelassene Arztpraxen geht. Der Ärztekammer-Präsident will dafür ein Bonussystem andenken, etwa mit angebotenen kürzeren Wartezeiten nicht nur beim niedergelassenen Arzt sondern auch mit fixen Terminvereinbarungen im Spital, wenn der Patient doch dorthin überwiesen werden muss. "Ich bin ein Freund der positiven Steuerung." Wechselberger verweist auch auf sogenannte Managed-Care-Systeme etwa in der Schweiz oder den USA, bei denen sich Patienten beispielsweise freiwillig verpflichten, zuerst zum Hausarzt zu gehen und dafür niedrigere Prämien zahlen. Wechselberger gesteht aber zu, dass Österreich dafür "noch nicht reif" sei.

Bevor man aber über verschiedene Steuerungsmöglichkeiten nachdenkt, hält es der Ärztekammer-Präsident für nötig, den niedergelassenen Bereich auszubauen. Er hält es für "blauäugig", zu glauben, man könne die Spitäler entlasten ohne die niedergelassenen Ärzte zu stärken. Dazu müsse es genügend Kassenstellen sowie ein Leistungsangebot und eine zeitliche Verfügbarkeit geben, die dem Spital adäquat sind. Konkret wünscht sich die Interessenvertretung 1.300 neue Ärzte mit Kassenvertrag in ganz Österreich. Diese Zahl entspreche nur der in den letzten Jahren gewachsenen Bevölkerungszahl, noch ohne Berücksichtigung der demografischen Entwicklung. Und bezüglich der Forderung nach längeren Öffnungszeiten der Praxen verweist Wechselberger auf Mehrkosten, die auch abgedeckt werden müssten.

Gegen finanzielle Schranken

Für den Ärztekammer-Präsidenten geht es also in erster Linie darum, die Versorgungsmöglichkeit für die Patienten bei niedergelassenen Ärzten in geeigneter Form anzubieten, zu stärken und zu bewerben und dann die Menschen zu motivieren, diese auch in Anspruch zu nehmen. Finanzielle Schranken für die Inanspruchnahme der Ambulanzen hält für eine "nicht adäquate Alternative". Und er verweist darauf, dass die Ambulanzgebühr schon einmal gescheitert ist. Den derzeit großen Andrang in den Ambulanzen führt Wechselberger auf ein "jahrelanges Versäumnis" der Sozialversicherungen zurück, weil diese das niedergelassene Versorgungssystem nicht so organisiert hätten, "wie es das Gesetz vorgibt". (APA, 6.9.2015)