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Markus Beckedahl (39) ist ein netzpolitischer Aktivist und Journalist aus Berlin. 2002 gründete er den Blog "Netzpolitik.org". Der Blog bekam 2014 den Grimme-Online-Award.

Am Mittwochabend wurde "Netzpolitik.org" von der Initiative "Deutschland – Land der Ideen" ausgezeichnet. Diese ist ein Projekt der deutschen Regierung und des Bundesverbands der Industrie.

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STANDARD: Sie und Ihr Kollege Andre Meister stehen im Zentrum der "Landesverratsaffäre", die sich immer mehr auswächst. Wie geht es Ihnen persönlich?

Beckedahl: Danke, eigentlich ganz gut. Mehr Schlaf wäre schön, aber es ist schon okay. Natürlich ist es ein sehr merkwürdiges Gefühl, wenn der Staat sein schärfstes Geschütz auffährt, um gegen Journalisten vorzugehen.

STANDARD: Was dachten Sie, als Sie erfuhren, dass wegen Landesverrats gegen Sie ermittelt wird?

Beckedahl: Zuerst hab ich mal googeln müssen, was das überhaupt ist, es gab ja bisher erst zwei solche Fälle in Deutschland – die "Spiegel"-Affäre 1962 um Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß und 1983 einen wenig bekannten Fall gegen das linke Magazin "Konkret". Dann war ich empört.

STANDARD: Angst hatten Sie nicht? Auf Landesverrat steht Gefängnis.

Beckedahl: Nein, da war meine Mutter besorgter als ich. Es ist doch absurd, dass man für investigativen Journalismus ins Gefängnis kommen kann. Ich finde es nach wie vor richtig, dass wir diese beiden Dokumente über den geplanten Ausbau der Internetüberwachung durch den deutschen Verfassungsschutz als Anhang zu unserer Berichterstattung auf "Netzpolitik.org" veröffentlicht haben. Die Dokumente sind übrigens nicht mal als "geheim", sondern als "vertraulich" eingestuft worden.

STANDARD: Es ist ja nicht das erste Mal, dass in Deutschland über Interna des Verfassungsschutzes berichtet wird. Warum wird nun ausgerechnet gegen Ihren Blog und Sie so scharf geschossen?

Beckedahl: Der Verfassungsschutz hat weder in der NSA-Affäre noch bei der Ermittlung gegen den NSU ("Nationalsozialistischer Untergrund", Anm.) eine besonders gute Figur gemacht. Ich vermute, dass Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen jetzt mit dieser Einschüchterungstaktik ein Exempel statuieren und den Landesverrat aus der historischen Mottenkiste hervorholen wollte.

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Unterstützer von "Netzpolitik.org" gingen am Samstag in Berlin auf die Straße.
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STANDARD: Das ging ganz offensichtlich schief. Generalbundesanwalt Harald Range – der oberste Ermittler – wurde von Justizminister Heiko Maas (SPD) gefeuert.

Beckedahl: Ich halte Range nur für den Bauerntäter. Ich sage absichtlich Bauerntäter und nicht Bauernopfer. Er hat ja auf Geheiß des Verfassungsschutzchefs ermittelt. Das wird das Thema bleiben: Was erlaubt sich der Verfassungsschutz mit Billigung durch die Politik? Welche Auswirkungen hat das – im Falle von Internetüberwachung – auf die Grundrechte der Bürger?

STANDARD: Wie geht es nun weiter?

Beckedahl: Das wüssten wir auch gern. Wir hoffen natürlich, dass die Ermittlungen jetzt eingestellt werden. Eine Bestätigung allerdings haben wir dafür noch nicht.

STANDARD: Dann wäre die Affäre letztendlich für investigative Journalisten wie Sie ein Ritterschlag.

Beckedahl: Wir freuen uns schon über die unglaubliche Solidarität, die uns von Medien, aber auch aus der Gesellschaft entgegengebracht wird. Wir bekommen für unsere Arbeit auch mehr Spenden. Das ist wichtig, weil wir uns ja auch juristisch wehren müssen. "Netzpolitik.org" wird weiterhin den digitalen Wandel begleiten und dabei auch der Politik auf die Finger schauen. Und es gibt auch in unserem Fall noch einiges aufzuklären.

STANDARD: Was meinen Sie?

Beckedahl: Gegen meinen Kollegen und mich wird seit Mai ermittelt. Ich habe jetzt bei der Bundesregierung nachgefragt, ob wir auch überwacht werden. Niemand hat das verneint. Wenn wir tatsächlich überwacht werden, dann ist das ein unerhörter Eingriff in die Privatsphäre und in unsere Grundrechte. (Birgit Baumann, 6.8.2015)