Von Ruth Schweikert erschien 2015 der Roman "Wie wir älter werden" im S.-Fischer-Verlag.

Foto: Andreas Labes

Bern – Dass bei Wahlen in der Schweiz eine Vielzahl monothematisch aufgestellter Kleinstparteien ihren Anliegen Luft macht, hat gewissermaßen Tradition. Ebenso dass diese am Einzug in die politischen Kammern scheitern. Eine Ausnahme war die rechte Autopartei, die es 1991 gar mit acht Mandataren in den Nationalrat schaffte. Von einer solchen Sensation geht die Liste "Kunst+ Politik" nicht aus, man ist sich bewusst, dass die Chancen auf einen Einzug bei der Nationalratswahl am 15. Oktober gegen null tendieren. Was bleibt, ist Symbolpolitik.

35 Kulturschaffende aus allen Sparten stehen auf der Liste: Schriftsteller, Schauspieler, Musiker, aber auch Leiter von Kulturinstitutionen oder Kritiker. Zu den bekannteren Namen zählt die Schriftstellerin und Musikerin Melinda Nadj Abonji, die 2010 den Deutschen und Schweizer Buchpreis erhielt. Sie steht auch an der Spitze der Liste. Initiiert wurde das Politprojekt von der Autorin Ruth Schweikert, der Schauspielerin Johanna Lier und Hans Läubli, der von 2007 bis 2015 für die Schweizer Grünen im Zürcher Kantonsrat saß.

Die Idee, zu kandidieren, sei daraus entstanden, dass das Lobbyistentum in der schweizerischen Politlandschaft immer mehr zunehme, erklärt Ruth Schweikert im Gespräch mit dem STANDARD. "Es gibt keine Vertretung von intellektuellen Städtern, dem Kreativsektor und der Wissenschaft. Stattdessen haben wir Bauern von links bis rechts und Unternehmervertreter. Unabhängige Geister fehlen zusehends."

Kalkuliertes Scheitern

Dass die Liste wohl am Einzug scheitern wird, ist gewissermaßen mitkalkuliert. "Unsere Schwäche ist unsere Chance", sagen die Kandidaten. "Wir wollen auch danach fragen, ob es überhaupt noch möglich ist, ohne Geld und starke Gruppen im Hintergrund in die Politik zu kommen", sagt Schweikert. Als Programm hat die Liste "Kunst+Politik" ein knappes "Manifest" veröffentlicht, das mit Überschriften wie "Soziale Gerechtigkeit", "Meinungsfreiheit", "Einhaltung des Völkerrechts" und "Offene, moderne Schweiz" "bewusst offen" gehalten wurde. Ein "Minimalkonsens", da die politischen Einstellungen auf der Liste von "ganz links" bis "liberal" reichen würden, so Schweikert.

Es gehe nicht darum, mehr Geld für Kunst und Kultur zu lukrieren, sondern vielmehr darum, eine Diskussion darüber in Gang zu bringen, ob es noch eine Vorstellung von einem Staat gibt, der gegenüber der Wirtschaft etwas zu sagen hat. "Wir wollen auch wieder über Utopien reden und darüber, wie eine visionäre Komponente in die Politik eingebracht werden kann," sagt die Autorin.

Den Kandidaten auf der Liste soll es bei einer allfälligen Wahl freigestellt sein, sich einer Fraktion anzuschließen. Warum dann nicht gleich für etablierte Parteien ins Rennen gehen? "Künstler, die das machen, bewundere ich, wir wollen auch kein Gegenbeispiel dazu sein", so Schweikert, "aber wir sind eine Möglichkeit für Leute, die noch nicht durch die ganze Schule der Realpolitik durchgegangen sind."

Im Wahlkampf will man dann auch "schreibend und redend" konkretere Positionen beziehen. Dass das wahltaktisch kein Fehler ist, zeigte auch die Autopartei. Themen damals: gegen Tempo 30 und überhöhte Benzinpreise. (Stefan Weiss, 6.8.2015)