Viele Paare wünschen sich zwei Kinder, doch die durchschnittliche Zahl der Geburten pro Frau liegt seit 40 Jahren sowohl in Österreich als auch in Deutschland unter 1,5.

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Rostock – Kinder machen glücklich. An diesem Ideal zu rütteln ist ein Tabu, wie unlängst die Debatte um Frauen, die ihre Mutterschaft bereuen, gezeigt hat.

Nun stellt eine weitere Studie die Jungfamilienidylle infrage: Dass manche Eltern durch die Geburt ihres ersten Kindes zumindest zunächst unglücklicher werden, wird zwar öffentlich selten thematisiert, doch einer Studie zufolge sinkt die Zufriedenheit im Jahr nach der ersten Geburt sogar stärker als etwa durch Arbeitslosigkeit, Scheidung oder den Tod des Partners.

Davon berichten Mikko Myrskylä, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung (MPIDR), und Rachel Margolis vom Institut für Soziologie an der University of Western Ontario im Fachjournal "Demography".

Unglücklicher Kindersegen

"Die Erfahrung der Eltern während und nach der ersten Geburt bestimmen mit, wie groß die Familie am Ende wird. Politiker, die sich Sorgen um niedrige Geburtenraten machen, sollten darauf achten, dass es den jungen Eltern schon beim ersten Kind gut geht – und zwar rund um die Geburt und danach", sagt Mikko Myrskylä.

Um untersuchen zu können, wie das erste Kind das Lebensgefühl der Eltern beeinträchtigt, nutzten die Forscher Daten zur Selbsteinschätzung aus der Langzeitstudie "Sozioökonomisches Panel" (SOEP). Jedes Jahr bewerteten etwa 20.000 Teilnehmer ihre Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn (maximal zufrieden). Im Mittel gaben Mütter und Väter an, im ersten Jahr ihrer Elternschaft um 1,4 Einheiten weniger glücklich zu sein als während der zwei Jahre davor.

Knapp 30 Prozent der Studienteilnehmer beschrieben keinen Verlust an Zufriedenheit. Über ein Drittel empfand ein Minus von zwei oder mehr "Glückseinheiten". Das ist vergleichsweise viel, wie die Studienautoren betonen: Durch Arbeitslosigkeit oder den Tod des Partners geht die Zufriedenheit gemäß internationalen Studien im Mittel nur um etwa eine Einheit auf der Glücksskala zurück, durch Scheidung im Mittel sogar nur um 0,6 Punkte.

Besonders sensibel: Ältere Eltern

Die Berechnungen von Myrskylä und Margolis zeigen, wie sehr die Erfahrungen mit dem ersten Kind die Chancen auf ein zweites beeinflussen: Unter hundert Eltern, die ein Minus von drei oder mehr Glückseinheiten angegeben hatten, bekamen nur 58 innerhalb eines Jahrzehnts ein zweites Kind. Waren die Eltern nach Geburt des ersten Kindes dagegen zufrieden, gab es bei 66 von hundert Müttern und Vätern weiteren Nachwuchs.

Der Anteil von Familien mit vier oder mehr Mitgliedern war also ohne Zufriedenheitsverlust um fast 14 Prozentpunkte größer. Die Einflüsse von Einkommen, Ehestatus oder Geburtsort wurden bei den Berechnungen berücksichtigt. Besonders stark lassen sich Frauen und Männer bei der Entscheidung für weitere Kinder von ihrer Zufriedenheit beeinflussen, wenn sie mit 30 Jahren oder später Eltern wurden und über einen formal höheren Bildungsgrad verfügten. Das Geschlecht spielt dagegen keine Rolle, wie die statistische Analyse zeigte.

Mögliche Gründe für Unzufriedenheit

Was konkret die Zufriedenheit der meisten frischgebackenen Eltern sinken lässt, beantwortet die Studie nicht. "Generell klagen junge Eltern zunächst häufig über Schlafmangel, Schwierigkeiten in der Partnerschaft und den Verlust von Freiheit und Kontrolle über ihr Leben", sagt Mikko Myrskylä. Dabei spiele auch die weiterhin schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine Rolle.

Relevant könnten außerdem Erfahrungen direkt bei der Entbindung sein, etwa eine sehr lange und besonders schmerzvolle Geburt. Die unmittelbaren Glückseinbußen im ersten Elternjahr müssen allerdings relativiert werden. Denn bis direkt vor der Geburt steigt die Vorfreude, und damit die angegebene Zufriedenheit, deutlich über das langjährige Niveau an. "Trotz der Unzufriedenheit nach dem ersten Kind wirken sich bis zu zwei Kinder insgesamt und langfristig eher positiv auf das Lebensglück aus", betont Myrskylä.

Am Ende doch nur ein Kind

Die Forschungsergebnisse sollen den Autoren zufolge helfen, einen inzwischen schon lange andauernden Widerspruch zu erklären: Immer noch wünschen sich die meisten Paare zwei Kinder. Tatsächlich liegt die durchschnittliche Zahl der Geburten pro Frau aber seit 40 Jahren unter 1,5 – sowohl in Österreich als auch in Deutschland.

Während als Ursache häufig der steigende Anteil von Kinderlosen gilt, wird vernachlässigt, dass zwar häufig ein erstes Kind kommt – dann aber nicht mehr das ursprünglich gewollte zweite: Während in Deutschland der Anteil an Einkindfamilien bei 25 Prozent für Mütter, die Ende der 1930er-Jahre geboren wurden, lag, hat er für die jetzt etwa 45-jährigen Mütter der späten 1960er-Jahrgänge schon 32 Prozent erreicht. (red, 5.8.2015)