Der Abfangjänger saust über die Stadt hinweg. Der Applaus ist nur ein bisschen leiser. Zehntausende Kroaten warten auf beiden Seiten der Vukovar-Strasse auf die Soldaten. Und dann kommen sie: Historische Armee-Einheiten in roten Mänteln mit goldenen Verzierungen, auf Pferden, mit Speeren in Händen, mit Fellmützen auf dem Kopf. Kinder staunen. Manche sind auf die Bäume geklettert.
Die Militärparade im Herzen von Zagreb anlässlich des Nationalfeiertags ist eine Art Volksfest. Am Anfang wird noch ein Lied der französischen Sängerin Zaz gespielt, später wird es dann patriotischer mit Liedern, die etwa vom schönen Dalmatien berichten und Marschmusik. Als die Veteranen aufmarschieren, wird der Applaus deutlich lauter. Daran merkt man, dass der Krieg erst vor zwanzig Jahren beendet wurde und viele, die hierher gekommen sind, Angehörige haben, die kämpften.
Marija, die im Gras sitzt und eine kroatische Fahne mit dem Schachbrettmuster in Händen hält, hat etwa ihren Bruder im Krieg verloren. Sie ist genau in jenem Jahr geboren – 1995 – als die Krajina, die vier Jahre lang von serbischen Einheiten besetzt worden war, zurückerobert wurde.
Zagreb im Schachbrettmuster
Die Farben Blau, Weiß und Rot dominieren diesen Dienstag. Soldaten verteilen Fähnchen. Manche tragen T-Shirts im Schachbrettdesign. Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović küsst zu Beginn der Parade sogar die Flagge. Für die 63-Jährige Marica S. ist dieser Tag sehr wichtig. Sie kann sich noch erinnern, als sie am 5. August 1995 die Champagnerflasche öffnete, als sie erfahren hat, dass die Operation Oluja erfolgreich war. Schließlich war auch ihr Mann jahrelang im Krieg gewesen. Die meisten Leute, die zu Parade gekommen sind, sind aber sehr gelassen. Die Stimmung ist nicht besonders national aufgeladen.
Die Idee der Regierung, den 20. Jahrestag mit einer Militärparade in Zagreb zu begehen, um den Fokus von den meist nationalistisch aufgeladenen Gedenkfeiern in Knin wegzunehmen, ist zumindest an diesem Dienstag gelungen. Abzuwarten gilt, was heute, Mittwoch in Knin passiert. "Die politische Rechte hat das Gedenken an Oluja bislang monopolisiert", sagt Damir. "Diese Veranstaltung zeigt aber, dass man nicht rechts sein muss, um patriotisch zu sein."
Die Parade dauert fast zwei Stunden. Soldaten mit Tarnbemalungen im Gesicht und Katastrophenschutzeinheiten schreiten vorbei. Dann fliegen Helikopter wie Hummeln über die Vukovar-Strasse. Es folgen Flugzeugschwärme in Pfeilformationen, die über den Zuschauern abdrehen und kopfüber in die andere Richtung sausen. Dann kommen die Panzer.
Reintegration Kroatiens
Die Operation Oluja war der Beginn des Friedens – die Reintegration aller besetzten Gebiete Kroatiens erfolgte aber erst zwei Jahre später. Aber Oluja war auch für Bosnien-Herzegowina wichtig, denn durch die Operation wurde die serbische Belagerung von Bihać beendet und ganz Westbosnien durch die folgende Operation "Maestral" zurückerobert.
Damirs Freund Predrag, der sich noch erinnern kann, wie er als Elfjähriger im Krieg in Osijek im Keller saß, meint: "Das ist eine gute Gelegenheit zu zeigen, wie aus einer damals völlig improvisierten Selbstverteidigungstruppe eine moderne Armee geworden ist, die Mitglied der Nato ist."
Keine Nachkriegskatharsis
Aber was denken die Serben über die Oluja-Feiern? Die Rückeroberung der Krajina führte ja dazu, dass 200.000 fliehen mussten. "Es wird niemals einen Konsens zu Oluja geben", sagt Predrag. "Serbien hat anders als Deutschland nie die notwendige Nachkriegskatharsis durchgemacht. Deshalb wird es die Aggression niemals zugeben. Diese historische Chance wurde versäumt."
Sein Freund Damir glaubt dies auch. Allerdings denkt er, dass sowohl der kroatische Premier als auch die Präsidentin der zivilen Opfer unter den Serben in Kroatien bei einer separaten Veranstaltung gedenken sollten. "Das könnte versöhnlich sein. Wir haben ja auch viele Serben als Freunde." (Adelheid Wölfl aus Zagreb, 4.8.2015)