Wien – Das seit 1997 diskutierte Vorhaben für ein "Haus der Geschichte" wird von der ÖVP mit einem alternativen Konzept infrage gestellt. Harald Mahrer denkt dabei lieber groß als klein. Und wenn der Staatssekretär im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium an das geplante "Haus der Geschichte" denkt, dann denkt er nicht nur an die neuere Geschichte ab 1848 (wie sie bisherigen Plänen folgend gezeigt werden soll), sondern er denkt weiter zurück – und einen, wenn nicht zwei Schritte nach vorn.

Nicht am Standort Neue Burg

Zunächst: Warum müsse ein "Haus der Geschichte" in ein bestehendes Objekt ziehen, noch dazu in die in Aussicht genommene Neue Burg, wo die Musikinstrumentensammlung des Kunsthistorischen Museums weichen müsste. Lieber hätte Mahrer einen Neubau – als "Haus der Zukunft".

Und zwar nicht irgendwo, sondern gegenüber dem Naturhistorischen Museum, zwischen Ringstraße und Heldenplatz, neben dem Äußeren Burgtor – "da ist jetzt eine Hundeauslaufzone, ich hätte dort lieber einen Ort der Begegnung. Das wäre eine Signatur unserer Zeit im Machtparallelogramm Parlament-Bundeskanzleramt-Hofburg und 'Haus der Zukunft'. Wo ist denn in Österreich der Raum, wo über die Zukunft öffentlich gesprochen wird? Hier könnte man einen schaffen."

Darüber will Mahrer einen Dialog anstoßen.

Fantasie gefragt

Gibt es schon etwas zu sehen davon, einen Plan, eine architektonische Lösung? Zu früh, winkt Mahrer ab. Jetzt gelte es einmal, die Fantasie zu bemühen.

Ein paar Fantasien hat er ja – etwa jene, dass dieses neue Haus am Ring aus Holz errichtet werden sollte, als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft – und weil Holzbauten modular an neue Bedürfnisse angepasst werden könnten.

Wer soll das bezahlen? Der Mathematiker Rudolf Taschner, der Mahrers Projekt unterstützt, antwortet philosophisch: "Das Problem ist immer: Geld. Und die Lösung des Problems ist auch immer: Geld."

Private Geldquellen

Dieses könnte aus ganz unterschiedlichen Quellen kommen, sagt Mahrer: "Große Projekte haben auch große Unterstützer." So könne die Republik den Baugrund stellen, und Unternehmen könnten den Bau sponsern. Oder sogar die EU – wenn nämlich das neue Haus auch europäische Dimensionen aufweist.

Keine "tote Stadt" wie Venedig

Womit wir bei den Inhalten wären. Da plädiert Taschner für radikal neue Ansätze: "Ein Haus der Geschichte muss auch ein Haus der Zukunft sein – wenn Wien nicht Venedig, eine tote Stadt, werden will. Die Venezianer haben die Pest mit Grandezza besiegt, das droht uns im ersten Bezirk auch. Aber wir dürfen nicht nur in der Kulisse leben, wir müssen Geschichte als Auftrag für die Zukunft verstehen."

Da gelte es, bei der Aufklärung anzusetzen – denn die Revolution von 1848 sei ohne die Wirkungsgeschichte der Aufklärung nicht zu verstehen. Und es gelte, neben den historischen Höhepunkten "Möglichkeitsräume" für die Zukunft zu schaffen. Taschner: "Da ist einmal die Mobilität. Dass wir heute noch ein Auto besitzen – da sagt man in Zukunft doch: Was soll das?" Zweitens die demografische Entwicklung: In einer alternden Gesellschaft werde Arbeit stärker automatisiert werden müssen – gleichzeitig gehe es um die Frage: "Sind wir überhaupt zur Muße fähig?" (Conrad Seidl, DER STANDARD, 5.8.2015)