Haidershofen – Zwischen etwa 3300 – 2800 vor unserer Zeitrechnung lebten auf dem Gebiet des heutigen Bayern und Oberösterreich Menschen, die von Archäologen der Chamer Kultur zugerechnet werden. Nach dem, was man bisher von ihnen ausgegraben hat, schufen die Angehörigen dieser spätneolithischen Kultur Keramikbehälter, steinerne Werkzeuge zum Fasern spinnen und eine große Banndbreite an Steinwerkzeugen. Sie lebten in kleinen Siedlungen auf Kuppen, an Geländekanten oder Bächen. Jüngste Funde an der Donau westlich von Linz weisten auf rege Handelsaktivität hin – vermutlich per Einbaum die Donau entlang.

Nun berichte der Geoarchäologe Alexander Binsteiner von der Entdeckung einer regelrechten Beilindustrie der Chamer-Kultur im niederösterreichischen Haidershofen (Bezirk Amstetten). Die Funde zeigen, dass sich hier eine Siedlung im großen Maßstab auf die Beilproduktion spezialisiert hatte. Besonders markant seien die offensichtlichen Überreste von Schleiferwerkstätten für Steinbeile aus Serpentinit.

Im Laufe von Jahrzehnten hätten die ortsansässigen Sammler Otto Temper (94) und sein Sohn Othmar (61) Hunderte Halbfabrikate von Steinbeilen aus grob zugerichteten und sogar gesägten Serpentinitgeröllen, die aus der Enns stammten, zusammengetragen. Zum Fundgut zählen zudem "Dutzende von perfekt geschliffenen Flachbeilen".

Steinschmiede an der Enns

Vollständig erhaltene Schleifplatten in V-Form würden zweifelsfrei belegen, dass sie zwischen den Beinen des "Steinschmiedes" platziert waren, der wahrscheinlich auf dem Boden sitzend oder kniend mit Sand und Wasser die Beile in stundenlanger Handarbeit in Form brachte. Funde von Steinbeilen aus dem typischen Ennstal-Serpentinit im Unteren Mühlviertel zeigen, dass die "Haidershofener" auch ein überregionales Vertriebsnetz mit ihren Produkten organisierten, meinte der Geoarchäologe.

Wie Binsteiner erklärt, seien im Zuge des Projektes "Steinzeit an der Enns" unlängst im Ortsbereich auf der Niederterrasse der Enns, wo sich heute eine Wohnsiedlung befindet, die Hinterlassenschaften einer Siedlung aus der Jungsteinzeit nachgewiesen worden.

Dass es sich um eine Siedlung der Chamer Kultur handelt, belegen laut Binsteiner Scherben reich verzierter Keramikgefäße mit typischen Mustern. Die Gründe der Einwanderung der vor allem in Süddeutschland ansässigen Chamer nach Ober- und Niederösterreich seien bisher nicht geklärt. (APA/red, 4.8.2015)