"Asylant" – Jörg Haider hat den Begriff quasi in der österreichischen Politik verankert, zahlreiche rote und schwarze Innenminister haben fleißig mitgeholfen. Heinz-Christian Strache hat ihn dort mittlerweile so tief verwurzelt, dass auch jene, die mit blauer Xenophobie angeblich nichts zu tun haben wollen, ihn verwenden: Vom "Asylanten" spricht etwa mit bemerkenswerter Sturheit der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, aber auch Erwin Pröll gleitet die Bezeichnung locker über die Lippen, wenn er sich über die Zustände in Traiskirchen erregt. Nun kann man den Herrschaften, die eigentlich wissen müssten, was Sprache bewirken kann, getrost absichtsvolle Motive unterstellen.

Problematisch wird es, wenn man bemerkt, wie der vergiftete Samen Früchte trägt: Auch im alltäglichen Gespräch ist immer wieder von "Asylanten" die Rede, mitunter in aller Unschuld – und Gedankenlosigkeit. Auch in Medien kommt der Begriff vor: "Arbeit für Asylanten?" lautete etwa kürzlich der Titel eines TV-Magazins, in dem dann, sehr ordentlich recherchiert, von den positiven Effekten einer Arbeitserlaubnis für Asylwerber die Rede war.

Es geht aber noch weiter: Der Ansturm an Kriegsflüchtlingen, die in Europa Schutz und eine Zukunft suchen, wurde nicht nur von Österreichs Politikern als schier unbewältigbar bejammert. Man denke an die bis dato fruchtlosen Verhandlungen um eine gerechte, europaweite Aufteilung dieser Menschen.

Sehr bald befanden wir uns sprachlich mitten in einer Naturkatastrophe, in der Österreichs politisch Verantwortliche scheinbar hilflos herumruderten, statt Führungsqualität zu beweisen: Von "Flüchtlingswellen", "Asylwellen" (auch der STANDARD leistete sich hier jüngst einen gedankenlosen Fauxpas), einem "Ansturm", sogar einem "Flüchtlings-Tsunami" war zu lesen und zu hören – und die Bevölkerung hatte offenbar verstanden. Die Wahlergebnisse in der Steiermark und im Burgenland sprachen Bände.

Die deutsche Sprachwissenschafterin Lann Hornscheidt von der Humboldt-Universität in Berlin hatte kürzlich in der Wiener Zeitung eine Erklärung dafür: "Naturkatastrophen zeichnen sich dadurch aus, dass wir Menschen sie nicht beeinflussen können und sie uns buchstäblich überrollen. Diese Metaphern wirken auf einer unbewussten Ebene, weil dadurch in den Köpfen der Menschen Bilder von großer Bedrohung entstehen. Das löst Ängste aus."

Die bewusste Verballhornung der rechtlichen Bezeichnung "Asylwerber" und das Bemühen von Naturkatastrophenmetaphern nützen vor allem jenen, die kein Interesse daran haben, dass die Europäer die Neuankömmlinge als Menschen mit individuellen Schicksalen ansehen – und ihnen im besten Falle offen gegenüberstehen. Wenn die Sprache verroht, ist bald kein Halten mehr. Menschen werden entmenschlicht, das erst macht Hasspostings wie jenes von den "Flammenwerfern" möglich, die auf Flüchtlingskinder gerichtet werden sollten.

Dazu passt, dass jene, die sprachliche Korrektheit einfordern, gleich einmal als "politisch korrekte Gutmenschen" abgeschasselt werden, natürlich mit "linkslinken Tendenzen", was ja ohnedies suspekt ist. Auch das hat die FPÖ in den vergangenen Jahren prima geschafft: jene verdächtig erscheinen zu lassen, die einfach nur wollen, dass Flüchtlinge in diesem Land korrekt behandelt werden. (Petra Stuiber, 4.8.2015)