Emotionen sind auch im Netz unberechenbar: Wer Hass und Diskriminierung schürt, bekommt oft den berüchtigten Shitstorm zu spüren.

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Autobauer Porsche Wels, die Supermarktkette Spar und sogar das Rote Kreuz: Die Liste an Unternehmen, die eigene Mitarbeiter wegen hetzerischer Kommentare auf Facebook vor die Tür gesetzt haben, wird täglich länger. Plötzlich scheint von Unternehmensseite eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber sogenannten Hasspostings zu herrschen – egal, ob diese mit dem Arbeitsbereich der Betroffenen zu tun haben oder nicht. Auch die Politik reagiert mit Verschärfungen: Künftig reicht schon ein Publikum von 30 Personen, um wegen Hetze verurteilt zu werden. "Wer Hass sät, wird Gefängnis ernten", sagte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bei der Präsentation der Reform.

Aktive Suche nach hetzerischen Wortmeldungen

Dass die Behörden engagiert gegen Hassposter vorgehen und aktiv nach hetzerischen Wortmeldungen suchen, wird von vielen Bürgern bezweifelt. Deshalb hatte sich nach dem Fall des 17-jährigen Porsche-Lehrlings, der Asylwerbern einen Flammenwerfer an den Hals wünschte, eine Facebook-Gruppe gegen Hasspostings gegründet. Rund 300 Mitglieder meldeten hetzerische Kommentare direkt bei der Polizei, mehr als 100 Anzeigen sollen bereits eingegangen sein.

Jetzt hat ihr Gründer Österreich verlassen müssen: Während sich der Tiroler vor einer Woche noch beim STANDARD gemeldet hatte, um seine Initiative vorzustellen, lehnt er nun jedes weitere Interview ab: Ein österreichisches Medium hatte seinen vollen Namen abgedruckt, daraufhin war er in rechtsextremen Kreisen für vogelfrei erklärt worden.

Die Post und der Shitstorm

Wie schnell jemand, der in sozialen Netzwerken auf Missstände hinweist, selbst zur Zielscheibe wird, hatte vor einigen Monaten auch die Wienerin Katja S. (deren Name hier geändert wurde, Anm.) erfahren. Ihr fiel in einer Postfiliale der fremdenfeindliche Aushang "Samstag Nix AMS" auf, mit dem der Post-Mitarbeiter offenbar sehr einfach erklären wollte, dass Arbeitslosengeld nur während der Woche ausbezahlt wird.

Katja S. beschwerte sich noch in der Filiale über die fremdenfeindliche Wortwahl, ohne eine Reaktion zu erhalten. Dann fotografierte sie den Aushang und veröffentlichte ihn nach einiger Bedenkzeit auf der Facebook-Seite der Post. Lange geschah nichts, dann brach ein sogenannter Shitstorm aus: Das Wort stammt aus einem Roman von Norman Mailer, der damit die Situation von Soldaten im Schützengraben beschrieb. Metaphorisch fühlen sich so auch Unternehmen: Von allen Seiten werden sie beschossen, ohne sich bewegen zu können. Dann folgt oft eine Panikreaktion.

Foto des Filialaushangs

Nachdem das Foto des Filialaushangs sich hunderte Male im Netz verbreitet hatte, zog die Post einen Schlussstrich: Die Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter wurde sofort beendet, erklärte das Unternehmen – ebenfalls via Facebook.

Daraufhin hat sich das Blatt gewendet: Plötzlich wurde die Post für ihre Reaktion beschimpft – und Katja S. für viele Nutzer zur "Denunziantin", deretwegen ein anderer Mensch den Arbeitsplatz verloren hat. Sie selbst kritisiert gegenüber dem STANDARD die Reaktion der Post scharf. "Den unsensiblen Umgang des Mitarbeiters habe ich dann in seiner Chefetage in derselben Form wieder gesehen", so die junge Wienerin. "Hier stehen Tat und Strafe in keinem Verhältnis." Dass Katja S. mit ihrem Posting die Aufregung ausgelöst hat, verschweigt sie auch in privaten Kreisen. Zu groß ist ihre Angst, angefeindet zu werden.

Öllinger: "Kein Denunzieren"

Eine solche Eskalation wollen Unternehmen nun vermeiden. Auch deshalb reagieren sie so knallhart, wenn ihnen rassistische Aussagen von Mitarbeitern gemeldet werden. Für viele Nutzer stellt das Melden von hetzerischen Kommentaren – egal ob beim Arbeitgeber oder bei der Staatsanwaltschaft – ein Denunzieren dar.

Der grüne Politiker Karl Öllinger stellt das vehement in Abrede. "Niemand würde einem Zeugen vor Gericht vorwerfen, dass er den Täter denunziert", so Öllinger. Die Exekutive sei mit der Flut an Hasskommentaren im Netz überfordert. Gegen Kinderpornografie oder Wiederbetätigung gebe es ja auch entsprechende Meldestellen. "Außerdem entscheidet die Justiz immer noch autonom, ob sie ein Verfahren einleitet", so Öllinger, der mit stopptdierechten.at seit Jahren rechtsextreme Wortmeldungen auf Facebook und Co beobachtet.

Auch für den Kommunikationswissenschafter Jörg Matthes (Uni Wien) sind juristische Strafdrohungen ein probates Mittel, um eine Grenze zu ziehen. In Zahlen lässt sich der Anstieg der Hasspostings übrigens nicht belegen: Laut Justizministerium gab es 2015 bisher 179 Anzeigen wegen Verhetzung, im vergangenen Jahr kam es zu 339 Verfahren. (Fabian Schmid, 4.8.2015)