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Israelische Soldaten bei Zusammenstößen mit Palästinensern nahe Nablus im Westjordanland.

Foto: AP/Mohammed

Jerusalem – Nach dem Tod eines palästinensischen Kleinkinds bei einem Brandanschlag im Westjordanland kämpfen die übrigen Familienmitglieder weiter um ihr Leben. Krankenhaussprecher bezeichneten den Zustand des Vaters am Samstag als "kritisch", die Mutter und der Bruder des getöteten Kindes schwebten demnach in Lebensgefahr. Unterdessen gab es neue Zusammenstöße zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern im Westjordanland.

Verteidigungsminister Moshe Yaalon genehmigte am Sonntag die Verhängung der bisher nur gegen Palästinenser angewandten sogenannten Verwaltungshaft, die es Israels Behörden erlaubt, Verdächtige ohne Anklage oder Urteil praktisch uneingeschränkt festzuhalten. "Dem jüdischem Terrorismus muss mit denselben Mitteln begegnet werden wie dem arabischen Terrorismus", ließ Yaalon mitteilen.

"Jüdische Terroristen"

Das Haus der palästinensischen Familie Dawabsheh bei Nablus im Norden des Westjordanlands war in der Nacht zum Freitag von einem Brandsatz getroffen worden, den offenbar radikale jüdische Siedler geworfen hatten.

In den Flammen verbrannte der anderthalbjährige Ali. Der Vater Saad erlitt Verbrennungen dritten Grades und wird in einem Krankenhaus in Südisrael behandelt. Die Mutter Riham und der vierjährige Bruder Ahmed werden mit lebensgefährlichen Verletzungen in einer Klinik bei Tel Aviv behandelt.

Der Anschlag stieß international auf Entsetzen. In ungewöhnlich scharfen Worten verurteilte auch die israelische Regierung den Angriff, der von "jüdischen Terroristen" verübt worden sei. Radikale Siedler attackieren regelmäßig Palästinenser und deren Häuser, umgekehrt sind Siedler auch immer wieder Ziel von Angriffen radikaler Palästinenser. Nach palästinensischen Angaben verübten Siedler in den vergangenen zehn Jahren mehr als 11.000 Anschläge.

Menschenrechtsaktivisten, Palästinenser und die internationale Gemeinschaft werfen Israel vor, dass die meisten Angriffe straffrei bleiben. In einem seltenen Schritt rief Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu allerdings nach dem Anschlag Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas an und versprach umfassende Ermittlungen. Gemeinsam mit dem israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin besuchte er zudem die Mutter und den Bruder des getöteten Kleinkinds im Krankenhaus.

Abbas äußerte jedoch Zweifel am Willen Israels, nach "wahrer Gerechtigkeit" zu streben. Er machte zudem Israel "direkt" verantwortlich für den Tod des Kleinkindes, da nicht gegen radikale jüdische Siedler vorgegangen werde. Er wies seinen Außenminister an, eine Beschwerde beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzureichen. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Anschlag scharf und forderte beide Seiten auf, zum "Pfad des Friedens" zurückzukehren.

Gewalt

Nach dem Brandanschlag gab es gewaltsame Proteste von Palästinensern mit weiteren Toten. Bei Zusammenstößen mit der israelischen Armee wurde am Freitagabend ein junger Palästinenser im Westjordanland angeschossen, er starb später im Krankenhaus. Eine Armeesprecherin sagte, dass ein "palästinensischer Verdächtiger" einen Brandsatz auf einen Armeeposten geworfen habe. Im von Israel besetzten Ost-Jerusalem wurden ein Dutzend Palästinenser bei Zusammenstößen leicht verletzt.

Auch im Norden des Gazastreifens kam es zu Gewalt. Israelische Soldaten erschossen nach palästinensischen Angaben einen Palästinenser und verletzten einen weiteren. Die Männer hätten sich einem Grenzzaun genähert. Nach israelischen Armeeangaben lief einer von ihnen weiter, obwohl Soldaten ihn zum Anhalten aufforderten.

Weitere Zwischenfälle gab es am Samstag. Im Norden des Westjordanlands gab es Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Siedlern und Palästinensern. Sie bewarfen sich mit Steinen, bis die israelische Armee das Gebiet zur militärischen Sperrzone erklärte. Ebenfalls am Samstag wurden nach israelischen Polizeiangaben zwei Beamte bei der Auflösung eines Protests verletzt.

Demos gegen Hassverbrechen

In Tel Aviv, Jerusalem und anderen Städten gingen am Samstagabend tausende Menschen gegen Hass und Gewalt auf die Straße. Präsident Reuven Rivlin sagte, dass er sich schäme und dass das Land einen "Weckruf" brauche.

"Jede Gesellschaft hat extremistische Ränder, aber heute müssen wir uns fragen: Was ist es, was hier in der Luft liegt, das es Extremismus und Extremisten erlaubt, unbesorgt im hellen Tageslicht zu wandeln?", sagte Rivlin bei der Jerusalemer Kundgebung und drängte auf harte Maßnahmen gegen radikale Juden. (APA, 2.8.2015)