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Isaiah Kiplagat (Mitte), Chef der kenianischen Leichtathletik, will Vize-Chef des Weltverbands (IAAF) werden.

Foto: apa/epa/irungu

Wien – Neue Doping-Vorwürfe gegen Russland und Kenia, dazu eine Datenbank mit einer Vielzahl von verdächtigen Blutwerten: Drei Wochen vor den Weltmeisterschaften in Peking erscheint die internationale Leichtathletik in schlechtem Licht, zumindest wenn es nach Erkenntnissen der am Samstag ausgestrahlten ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping: Im Schattenreich der Leichtathletik" geht. Demnach ist die Verbreitung von Doping vor allem in den Ausdauerdisziplinen weitaus größer als bisher angenommen.

Neben weiteren konkreten Doping-Vorwürfen gegen russische Sportler, insbesondere gegen 800-m-Olympiasiegerin Maria Sawinowa, präsentierte das Journalisten-Team um Hajo Seppelt eine Datenbank mit über 12.000 Blutwerten. Ein Teil davon gebe starke Hinweise auf den Gebrauch von Dopingmitteln. Zudem gebe es Anzeichen für weitverbreitetes Doping in Kenia sowie Hinweise auf Korruption an der Spitze des dortigen Leichtathletik-Verbandes. Präsident Isaiah Kiplagat kandidiert in wenigen Wochen für den Posten des Vizepräsidenten im Weltverband IAAF.

Die ARD und die britische Zeitung "Sunday Times" haben die Liste mit Bluttests von rund 5.000 Läufern ausgewertet. Sie stammen nach ARD-Angaben aus der IAAF-Datenbank. Unter ihnen sollen 800 Sportler mit verdächtigen Werten sein, die von 2001 bis 2012 bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften in den Disziplinen von 800 Meter bis zum Marathon gestartet sind.

Ein Großteil dieser Athleten, unter ihnen angeblich 146 olympische Medaillengewinner und Weltmeister, sei nicht belangt worden. "Nur gegen ein Drittel von ihnen läuft ein Verfahren oder sie sind bereits gesperrt. Die restlichen zwei Drittel sind nie überführt worden", hieß es in einer Mitteilung von ARD und WDR

"Die Werte in der Datenbank lassen aus meiner Sicht keinen Zweifel zu, dass die Ausdauerdisziplinen bei Weltmeisterschaften und Olympia von Blutdoping durchsetzt waren", sagte der australische Doping-Experte Michael Ashenden in der Dokumentation.

"Groteske Werte"

"Es tut mir sehr leid für die sauberen Athleten, die um ihre Medaille betrogen wurden. Es wäre praktisch unmöglich gewesen, gegen einige dieser Werte anzukommen. Es ist einfach grotesk, wie hoch einige dieser Werte waren. Es waren die schlimmsten, die ich jemals gesehen habe", erklärte Ashenden weiter. Die IAAF teilte auf ARD-Anfrage mit, ohne genaue Kenntnis des Datensatzes könne man die Ergebnisse nicht kommentieren.

Die IAAF weist jede Kritik am Ergebnis-Management zurück und betont, methodisch verlässlich zur Feststellung von Doping seien ausschließlich Analysen, die den strengen Testanforderungen des Biologischen Passes für Athleten folgen. "Jeder andere Ansatz, insbesondere das Nutzen von Daten, die über einen längeren Zeitraum zu verschiedenen Zwecken, unterschiedlichen Zielen und mit unterschiedlichen Analysemethoden erfasst wurden, ist nichts als Spekulation", hieß es in einer IAAF-Stellungnahme.

Bereits im vergangenen Winter hatte eine ARD-Dokumentation über systematisches Doping und Korruption im russischen Sport weltweit für Aufsehen und personelle Konsequenzen gesorgt. Die Reportage hatte akribisch aufgezeigt, dass im russischen Sport flächendeckend manipuliert und dies von der nationalen Anti-Doping-Agentur RUSADA gedeckt werde. Entscheidende Kronzeugen in der Dokumentation waren Julia Stepanowa, derzeit wegen Dopings gesperrte 800-m-Läuferin, und ihr Mann Witali Stepanow, zwischen 2008 und 2011 Mitarbeiter RUSADA.

In der nun ausgestrahlten Sendung soll 800-m-Olympiasiegerin Maria Sawinowa auf einer ihr zugeschriebenen Tonbandaufnahme die Einnahme von Wachstumshormonen zugeben. Auch weitere Läuferinnen wurden belastetet. Zudem gebe es weitere Hinweise auf massive Mängel am Anti-Doping-Kontrollsystem in Russland.

Lasches Test-Regime in Kenia

"Wenn sich herausstellt, dass das alles wahr ist, dann ist das Problem sicher größer als man bisher zugegeben hat", sagte Richard Pound, ehemaliger Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) und Vorsitzender der zuständigen Untersuchungskommission.

Bezüglich Kenia zeigte die Reportage auf, dass auch dort Dopingmittel einfach zu beschaffen sind. Die inzwischen wegen Dopings gesperrte Läuferin Rito Jeptoo, Siegerin des Boston-Marathons, berichtete zudem offen über den mangelhaften Anti-Doping-Kampf in ihrem Heimatland. "Ich habe seit 2006 nicht einmal in Kenia einen Bluttest machen müssen", sagte die 34-Jährige. (sid/red – 1.8. 2015)