Der türkische Botschafter Hasan Gögüş kehrt vorerst nicht zurück nach Wien. Das stellte der amtierende Außenminister Mevlüt Çavuşoglu in seinem Telefonat mit Sebastian Kurz am vergangenen Mittwoch klar. "Wir warten darauf, dass zuerst von der österreichischen Regierung bedeutsame und zufriedenstellende Schritte ergriffen werden, um den Schaden zu reparieren, der in unseren bilateralen Beziehungen entstanden ist", hieß es in einer am Freitagnachmittag veröffentlichten Mitteilung des Sprechers des türkischen Außenministeriums in Ankara.

Die türkische Seite vermisste offenbar eine entsprechende Information über das Telefongespräch in der Aussendung des österreichischen Ministeriums.

Streitpunkt: Genozid in Armenien

Botschafter Gögüş war im April zurückberufen worden, nachdem der Nationalrat in einer Resolution den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren verurteilte. Die Türkei erkennt den Genozid nicht an und beorderte im Frühjahr aus demselben Grund ihre Botschafter im Vatikan und Luxemburg zurück. Das luxemburgische Parlament hatte im Mai eine Resolution zum Völkermord verabschiedet, Papst Franziskus verwandte ebenfalls diesen Begriff.

Kurz habe sich in dem Telefon erkundigt, wann die beiderseitigen Beziehungen normalisiert würden, hieß es in der Mitteilung des türkischen Ministeriumssprechers Tanju Bilgiç. Im Zentrum des Gesprächs standen die Militäroperationen der Türkei gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), aber auch gegen die kurdische Untergrundarmee PKK. Ähnlich wie sein deutscher Kollege Frank-Walter Steinmeier und mittlerweile auch der stellvertretende Sprecher des Weißen Hauses in Washington, Eric Schultz, deponierte Kurz seine Bedenken angesichts der Bombenangriffe der Türkei auf die PKK im Nordirak. "Ich bin sehr besorgt über die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf den Friedensprozess mit den Kurden", erklärte Kurz. "Ich habe eindringlich dazu aufgerufen, den mühsam aufgebauten Friedensprozess jetzt nicht zum Erliegen kommen zu lassen." Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan erklärte am Dienstag den von ihm selbst eingeleiteten Friedensprozess für beendet. Erdogan strebt vorgezogene Parlamentswahlen im November an, bei denen er die Kurdenpartei HDP offenbar unter die Zehn-Prozenthürde drücken will, um wieder eine absolute Mehrheit für seine konservativ-islamische AKP zu gewinnen. (Markus Bernath aus Athen, 1.8.2015)