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Noch ein Jahr bis zur ORF-Wahl: Generaldirektor und Sozialdemokrat Alexander Wrabetz und der bürgerliche Finanzdirektor Richard Grasl. Grasl soll Wrabetz versichert haben, er tritt nicht gegen ihn an – aber wohl mit einigen Vorstellungen über den künftigen ORF.

Foto: APA/Hochmuth

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Die Mitglieder des ORF-Stiftungsrats.

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Wien – Alexander Wrabetz hat ein Brettspiel erfunden. Der Einsatz: deutlich jenseits der 400.000 Euro im Jahr – und sein damit verbundener Job als ORF-General. Die Figuren: 35 Stiftungsräte, bestellt überwiegend von politischen Institutionen und großteils Fraktionen zuordenbar. Aber immer weniger, und das macht das Jahr bis August 2016 spannend.

Alle fünf Jahre bestellen diese 35 Stiftungsräte den ORF-General – zumindest 18 Stimmen braucht ein Kandidat oder eine Kandidatin dafür. Und wenn es bei Enthaltungen 17 zu 17 steht, entscheidet der Vorsitzende. Das ist und bleibt wohl auch Dietmar Hoscher, Sozialdemokrat, der in seinem Brotberuf als Casinos-Manager gerade durch die Novomatic-Verwerfungen eher gestärkt wirkt.

Alle fünf Jahre packt Wrabetz das Brettspiel aus – seit 2006, als er mit einer von Grün über Rot und Orange und Unabhängig bis Blau reichenden Koalition Monika Lindner ablöste – die Kandidatin der damaligen Kanzlerpartei ÖVP.

Rote und Rote

Wrabetz ist am stärksten, wenn es für ihn eng wird. Der Sozialdemokrat hat schon einen Absetzungsversuch der SPÖ-Führung – Werner Faymann, unterstützt von Josef Ostermayer – 2008/09 überstanden und als erster General nach Gerd Bacher 2011 eine Wiederwahl geschafft. Das Brettspiel dürfte seine strategischen Muskeln gerade wieder spannen, vielleicht brauchen sie mehr Volumen als je zuvor.

Denn derzeit sind nur zwölf Stimmen dem Freundeskreis der SPÖ zuzuordnen, wie Fraktionen im laut Gesetz politikfernen Stiftungsrat verschämt genannt werden. Mit zwei weiteren kann Wrabetz wohl rechnen: Siggi Neuschitzer (Kärnten) und Brigitte Kulovits-Rupp (Burgenland).

Ein allfälliger Gegenkandidat Werner Faymanns eher nicht. Da könnte Brigitte Kulovits-Rupp ins Grübeln kommen oder auch Erich Fenninger, federführend etwa beim SPÖ-"Rettungskongress".

Ein SPÖ-Gegenkandidat zu Wrabetz würde den roten Freundeskreis wohl spalten. Bei zwei roten Kandidaten würde wohl ein Bürgerlicher antreten: Richard Grasl, Finanzdirektor und starker wie selbstbewusster zweiter Mann im ORF.

Mehr und mehr Schwarze

Die bürgerliche Morgenluft dürfte sich auch auf Wrabetz' breitem Fensterbrett mit Blick über den westlichen Wienerwald niederschlagen, wo Niederösterreich beginnt. Vor dem Fenster steht das Brettspiel meist.

15 bürgerliche Räte

14 Stiftungsräte sind dem schwarzen Freundeskreis zuzurechnen. Und wo nun Kathrin Nachbaur zur ÖVP stößt, was VP-Klubchef Reinhold Lopatka noch am Freitag wortreich dementierte: Dann ist wohl auch der von Nachbaur ausgesuchte Stronach-Stiftungsrat Günter Leitold – formal oder faktisch – bald dem schwarzen Lager im Stiftungsrat zuzurechnen. Das wären 15.

Struktur-Schwäche

Grasl soll Wrabetz trotz dieses Rückenwinds in den vergangenen Wochen versichert haben: Er tritt nicht gegen ihn an (wohl wenn Wrabetz der einzige rote Kandidat ist). Aber: Der Verzicht – nach heutigem Stand – müsste wohl Grasls Gewicht bei der Gestaltung des ORF, seiner künftigen Strukturen und des Personals erhöhen.

In diesem Szenario würde die von Wrabetz noch im Frühjahr entworfene ORF-Struktur noch ein Stück unwahrscheinlicher. Sie sieht gemeinsame Ressorts über alle ORF-Medien – TV, Radio und Digital – vor. Manager für alle Kanäle von ORF 1 und ORF 2 bis Ö1 würden wohl dennoch kommen. Aber die Chefredakteure der Channels würden dann eher nicht dem einen, multimedialen Infochef unterstellt. Bürgerliche Stiftungsräte drängten schon im Frühjahr darauf, dass sie den Senderchefs unterstehen sollten. Und sie machten klar, dass etwa Roland Brunhofer, derzeit Salzburger Landesdirektor und den Sozialdemokraten zugeordnet, eher kein zentraler Infodirektor ist. Da gilt etwa Langzeitinlandschef Hans Bürger als kompatibler.

Die von Wrabetz entworfene Struktur hat eine weitere, potenziell wahlentscheidende Schwäche: Die Liste von Radio-Betriebsrat (und Zentralbetriebsratschef) Gerhard Moser hat zwei Sitze im Stiftungsrat – von fünf Personalvertretern dort. Der Strukturplan würde mit dem Radio als Direktion auch den Betriebsratsbereich Radio infrage stellen.

Blau machen

Diesen Herbst wählt das ORF-Radio seinen Betriebsrat, Anfang 2016 konstituiert sich der nächste Zentralbetriebsrat mit seinen fünf Stiftungsräten. Und auch die mächtige, rote ORF-Technik wählt im Herbst.

Auch technisch spricht noch Einiges gegen die neue ORF-Struktur zur Generalswahl 2016: Mit dem Rückenwind der Wahlen in Wien und Oberösterreich und mit Blick auf die nächste Nationalratswahl drängt Thomas Prantner auf eine Rückkehr ins Direktorium. Der frühere Onlinedirektor, seit 2012 als Vize von Technikdirektor Michael Götzhaber Online-Manager, gilt als der FPÖ-Vertrauensmann im ORF.

Schon kursieren da Planspiele für einen Tausch in der Technikdirektion: Prantner als Direktor, zuständig für Digitales. Und Götzhaber als eine Art Vize, zuständig für Rundfunktechnik.

Prantner als Technikdirektor ginge sich wohl nur aus, wenn Exbetriebsratschef Götzhaber als ORF-Landesdirektor zurück nach Kärnten geht – dafür gibt es bisher keine Anzeichen. Ein Platztausch mit Prantner wäre ein Affront gegenüber dem tiefroten Technikbetriebsrat – und könnte zwei rote Stimmen im Stiftungsrat kosten.

So könnte der nächste General also für Prantner einen anderen Direktorenposten brauchen – etwa Radio und Online. Auch das dürfte gegen die neue Struktur sprechen.

Der nächste General wird bis August 2016 noch viele Figuren positionieren und verschieben – Stiftungsräte, Direktoren, Landesdirektoren, Chefredakteure, Sender- und Ressortchefs – und was sonst noch ins Spiel kommt. (Harald Fidler, 1.8.2015)