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Es wird einsam um den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der im Jahr 2017 Angela Merkel im deutschen Kanzleramt ablösen möchte. Seine Kehrtwendungen machen der Basis zu schaffen.

Foto: EPA / Wolfgang Kumm

In dieser Woche war Sigmar Gabriel endlich am Ziel – wenn auch nur für 13 Minuten. So lange dauerte am Mittwoch die Kabinettssitzung im Berliner Kanzleramt, die der SPD-Chef als Vizekanzler leiten durfte. Denn Angela Merkel erholt sich gerade in Südtirol von den Strapazen des Regierens und von Stuhlproblemen in Bayreuth. Dort war, bei der Premiere von Tristan und Isolde, ihre Sitzgelegenheit zusammengekracht.

Gabriel hingegen saß für eine knappe Viertelstunde in Berlin fest auf ihrem Platz. Das möge er doch genießen, wurde sogleich gelästert – denn als Kanzler wird der SPD-Chef diesen Sessel möglicherweise niemals einnehmen können. Nicht nur, weil die SPD in Umfragen nach wie vor über magere 25,5 Prozent nicht hinauskommt, während CDU und CSU sich über Werte jenseits der 40-Prozent-Marke freuen können.

"Hallo Sigmar, ich habe ein Problem"

Auch innerhalb der SPD rumort es unüberhörbar, Unzufriedenheit mit Gabriel macht sich breit. Vor kurzem veröffentlichte Björn Uhde, SPD-Mitglied aus Schleswig-Holstein, via Facebook einen Kommentar, der in der SPD für viel Gesprächsstoff sorgt. "Hallo Sigmar, ich habe ein Problem", schreibt Uhde und bezeichnet den SPD-Chef als "Mister Zickzack".

"Viele Ortsvereinsvorsitzende kommen gar nicht mehr dazu, SPD-Politik zu erklären", klagt er und droht: "Auch ich werde mich nicht für Wahlkampfstände hergeben, wo wir wegen deines Zickzackkurses zu Recht in Grund und Boden kritisiert werden."

Im Gespräch mit Pegida

Tatsächlich war die Politik der SPD in letzter Zeit nicht immer ganz stringent, etwa bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Zuerst war Gabriel selbst dagegen, dann jedoch schwenkte er um und zwang Justizminister Heiko Maas (SPD), ein Gesetz vorzubereiten. Während andere SPD-Spitzenpolitiker deutlich machten, mit der Pegida-Bewegung nichts zu tun haben zu wollen, tauchte Gabriel überraschend und unabgesprochen bei einer Veranstaltung in Dresden auf, um mit Pegida-Anhängern zu sprechen.

Nicht erklärbar war vielen auch sein Schwenk in der Griechenlandpolitik. Zunächst hatte Gabriel stets auch Solidarität mit Athen angemahnt. Doch als diese nach den Verhandlungen mit den Geldgebern beschlossen, ein Referendum abzuhalten, wurde sein Ton harscher. Man werde "nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen", so Gabriel.

Rasch in den Iran

Nicht gut kam zudem seine Reise nach Teheran an. Nicht einmal eine Woche nach Abschluss des Atomabkommens fuhr Gabriel (in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister) bereits mit einer Wirtschaftsdelegation in den Iran, um dem Mullah-Regime seine Aufwartung zu machen. Tenor der Kritik: Gabriel habe sich viel zu schnell "angebiedert". Dessen Konter: Er suche eben "Kontakte statt Konflikte".

Auch ein Strategiepapier Gabriels sorgt für heftige Debatten. Darin ist von "innerer und äußerer Sicherheit" die Rede, von einem "patriotischen Selbstverständnis" und davon, dass Steuern und Sozialabgaben "nicht hoch, sondern fair" sein müssten. Offensichtlich will Gabriel die SPD im Bundestagswahlkampf 2017 in der politischen Mitte positionieren.

Jusos sehen eine "CDU light"

Juso-Chefin Johanna Ueckermann höhnt, da werde eher ein Bild der "CDU light" gezeichnet als eines der SPD. Und der linke SPD-Vize Ralf Stegner legte ein eigenes Zukunftspapier vor. In dem fordert er einen höheren Spitzensteuersatz, höhere Erbschaftssteuern und die Abschaffung des Ehegattensplittings.

Der Frust der Genossen schlägt sich auch in Umfragen nieder. Laut einer Forsa-Umfrage für den Sternsind nur 50 Prozent der SPD-Mitglieder mit Gabriels Arbeit als SPD-Chef zufrieden. Bloß 35 Prozent der Befragten halten ihn für den besten Kanzlerkandidaten für die Wahl 2017.

"Sie ist eine gute Kanzlerin"

Was viele über die Kanzlerkandidatur der SPD 2017 denken, hat gerade Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) formuliert, indem er Merkel lobte: "Sie macht das ganz ausgezeichnet – sie ist eine gute Kanzlerin." Und: Ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat für den SPD-Bewerber "noch richtig ist oder nicht, das werden wir sehen".

Immerhin gibt es einen Trost für Gabriel: Seinen Job macht ihm keiner streitig. Es zeigt auch niemand Ambitionen für die Kanzlerkandidatur 2017. Denn der Bedarf, sehenden Auges gegen die beliebte Merkel in eine Niederlage zu gehen, ist nicht sehr ausgeprägt. (Birgit Baumann aus Berlin, 1.8.2015)