In einem 1969 gehaltenen Vortrag über "Voraussetzungen, Beispiele und Ziele einer poetischen Arbeitsweise" interpretiert Ernst Jandl (1925-2000) moderne Kunst als "eine fortwährende Realisation von Freiheit". 78 Gedichte und 76 Minuten lang macht nun eine zum 90er des Dichters in neuer Ausstattung erschienene CD Jandls radikales Beharren auf Autonomie, und zwar nicht nur auf sprachliche, hörbar. Kostbar ist dieser Mitschnitt einer Lesung, die der Autor 1995 in Oldenburg hielt, auch deshalb, weil Jandl Beispiele aus allen Schaffensphasen liest.

Von der frühen Lyrik posen, juni 56 über Sprechgedichte wie schtzngrmm und Gedichte, in denen Phrasen und Redensarten in Hintersinn-Fallgruben stürzen (etüde in f) bis zum unsentimentalen, zunehmend verdunkelten Epigrammstil von Beiträgen aus dem späten Band idyllen (etwa die scheißmaschine) – alles ist da. Natürlich fehlt auch ottos mops, wien: heldenplatz oder minor poet nicht. Es gibt wenige Autoren, die, hat man sie einmal gehört, im Gedächtnis bleiben. Ernst Jandl ist einer davon. (Stefan Gmünder, Album, 31.7.2015)