Ihre vielfach ausgezeichneten Bücher werden sehr wohl gelesen. Nicht nur, wenn die in Salzburg geborene Autorin Kathrin Röggla in Goldegg aus ihnen vorträgt.


Foto: Heribert Corn

Goldegg – Die Bibliothek ungelesener Bücher des Künstlers Julius Deutschbauer macht bis 23. August in Goldegg Station, am Sonntag findet im Rahmenprogramm der Schau zuerst ein Lesezirkel zum Thema "Nabel" statt (bei Schönwetter im Goldegger Schwimmbad): Jeder darf sein literarisches Fundstück dem Publikum vorstellen. Abends folgen Lesungen von Kathrin Röggla und Ann Cotten.

Erstere stammt aus Salzburg, lebt aber inzwischen seit mehr als zwei Jahrzehnten in Berlin. In vielen ihrer Texte hat sie sich mit den (un)sozialen Aspekten des Neoliberalismus beschäftigt: Von der Ökonomisierung der Sprache über die grassierende Beratermanie bis zur Privatverschuldung reicht die Themenpalette.

Auch mit dem Essayband Besser wäre: keine (Fischer-Verlag) reiht sie sich in eine Traditionslinie von Emanzipationsdenkern wie Judith Butler und Michel Foucault ein. Zuletzt erschien Die falsche Frage. Theater, Politik und die Kunst, das Fürchten nicht zu verlernen (Theater der Zeit, 2015) über den Zusammenhang von Katastrophenfilmen, Global Players und postdemokratischem Widerstand mit den Stücken Rögglas.

Weniger politisch gibt sich dann die zweite Lesung des Abends. In einem frühen Manifest postulierte Ann Cotten einst, dass Literatur nicht der Unterhaltung diene. Die 1982 im US-Mittelwest-Staat Iowa geborene Schriftstellerin trat vor allem als Lyrikerin in Erscheinung. 2013 präsentierte sie ihr Prosadebüt Der schaudernde Fächer (Suhrkamp). Der Band besteht aus siebzehn Erzählungen, bei denen die in Wien und Berlin lebende Autorin ihrem eigenwillig-experimentellen Schreibstil sowie der Lust an verstörenden Sprachspielen treu bleibt – und auch der Vorliebe für Gedichte, die sich hier an diversen Stellen in den Text einschleichen.

Wenn sie schiefe Bilder und Vergleiche ebenso wenig scheut wie wilde Satzkonstruktionen oder philosophische Exkurse, dann lässt sich Cotten von Heimito von Doderer und Robert Musil inspirieren. Ein sinnliches und kunstvolles Spiel mit der Sprache, das bestens mit dem Thema – Liebe, Annäherung und Abstoßung – korrespondiert. Cottens Protagonisten leben in dem Zwiespalt, einerseits die Liebe samt allen Risiken und Nebenwirkungen zu ersehnen, andererseits gleichzeitig vor ihr zu flüchten. Und letztlich geht es der Grenzgängerin zwischen sanfter Sensibilität und wilden Obszönitäten um die Suche nach der Balance zwischen Kunst und Leben. (Gerhard Dorfi, 31.7.2015)