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Der Wortlaut des Abschiedsbriefs der 17-jährigen Baronesse Mary Vetsera an ihre Mutter ist seit einigen Jahren bekannt. Doch nun wurde im Safe der Schoellerbank auch der Originalbrief gefunden, den die Minderjährige vor der Tragödie von Mayerling Ende Jänner 1889 verfasste.

Foto: APA/ÖNB

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Wien – Das Unglück, das "die ganze Welt erschreckt" hat, wie es wenig später in einem legendären Lied hieß, ereignete sich am frühen Morgen des 30. Jänner 1889: Im kaiserlichen Jagdschloss in Mayerling erschoss der verheiratete Thronfolger Rudolf zuerst seine 17-jährige Geliebte Mary Vetsera und anschließend sich selbst.

Diese historischen Fakten, die nun durch einen sensationellen Brieffund aufs Neue bestätigt werden, wurden vom streng katholischen Kaiserhaus lange verdreht, denn es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Also wurde Mary Vetsera die Schuld für die Tragödie von Mayerling in die Schuhe geschoben und die minderjährige Baronesse als Täterin dargestellt.

Von der Historiografie ist das längst widerlegt, zuletzt im Buch Das Original-Mayerling-Protokoll der Helene Vetsera von Georg Markus und Katrin Unterreiner, das im Vorjahr erschien. Darin wird der Fall anhand der lange verschollenen Denkschrift von Helene Vetsera, Marys Mutter, neu aufgerollt und auch die Abschrift des Abschiedsbriefes der unglücklichen Tochter zitiert.

Bislang wurde aber angenommen, die Briefe seien nach dem Tod der Mutter vernichtet worden, da diese ihrer Schwiegertochter das Versprechen abgenommen hatte, alle sich auf die Tragödie von Mayerling beziehenden Schriftstücke zu beseitigen. Doch die Baronin hat sich diesem Wunsch nicht gefügt, wie man seit kurzem weiß: Im Safe der Schoellerbank wurde bei einer Archivrevision ein Verwahrstück aus dem Jahr 1926 entdeckt, das sich als Sensationsfund entpuppen sollte.

Eine unbekannte Person hatte in einem Ledereinband zahlreiche Lebensdokumente, Briefe und Fotografien der Familie Vetsera deponiert, darunter die Abschiedsbriefe von Mary Vetsera aus Mayerling an die Mutter Helene, die Schwester Hanna und den Bruder Feri, die sich in einem Originalkuvert mit Siegeln des Kronprinzen Rudolf befanden.

Daneben enthielt der Ledereinband eine Reihe von weiteren bedeutenden Dokumenten, etwa Mary Vetseras Taufschein oder ihren Totenschein in zweifacher Ausfertigung. Die Schriftstücke rund um Vetseras Tod gehen als Dauerleihgabe an die Österreichische Nationalbibliothek, wo sie derzeit konservatorisch versorgt, katalogisiert und digitalisiert werden. Ab August 2015 stehen sie der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung.

In der für 2016 geplanten Ausstellung zum 100. Todestag Kaiser Franz Josephs werden ausgewählte Objekte im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek erstmals öffentlich gezeigt. (tasch, 1.8.2015)