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Israelische Sicherheitskräfte untersuchen den Ort des Brandanschlages.

Foto: AP Photo/Majdi Mohammed

Jerusalem – Bei einem offenbar von radikalen jüdischen Siedlern verübten Brandanschlag im Westjordanland ist ein palästinensisches Kleinkind getötet worden. Seine Eltern und sein Bruder wurden lebensgefährlich verletzt, wie palästinensische Sicherheitskräfte und ein israelischer Arzt am Freitag mitteilten.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu verurteilte die Tat, während die Palästinenserführung die israelische Regierung verantwortlich machte. Im Westjordanland gab es Proteste.

"Es lebe der Messias"

Palästinensischen Sicherheitskräfte zufolge drangen in der Nacht vier maskierte Siedler in das Dorf Duma bei Nablus im Norden des Westjordanlands ein und legten Feuer an zwei Häusern. Anschließend seien sie geflüchtet. Mehrere Mauern am Tatort beschmierten sie mit Parolen: "Rache", "Es lebe der Messias" und "Den Preis zahlen" stand dort neben einem Davidstern, wie der Armeerundfunk berichtete. Demnach warfen zwei maskierte Täter Brandsätze auf die Gebäude.

Dabei wurde das Haus der Familie Dawabsheh getroffen. In den Flammen verbrannte nach palästinensischen Angaben der anderthalbjährige Ali, seine 26-jährige Mutter wurde lebensgefährlich verletzt. Sie kam mit Verbrennungen dritten Grades an 90 Prozent des Körpers in eine israelische Klinik, wie ein israelischer Arzt im Rundfunk sagte. "Ihr Leben ist in Gefahr", sagte der Mediziner. Der Vater erlitt demnach Verbrennungen an 80 Prozent des Körpers. Auch der vierjährige Bruder wurde bei dem Anschlag lebensgefährlich verletzt. Berichten zufolge wurde außerdem ein kleines Mädchen bei dem Brand verletzt.

Telefonat

In einem seltenen Telefonat mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas verurteilte Netanjahu die Tat. "Jeder in Israel ist schockiert über diesen verwerflichen Terrorakt", sagte Netanjahu am Freitag nach Angaben seines Büros. Netanyahu versprach Abbas umfassende Ermittlungen zur Aufklärung des Verbrechens.

Zuletzt hatte Netanjahu Abbas am 17. Juli zum Ende des Fastenmonats Ramadan angerufen. Davor herrschte mehr als ein Jahr Funkstille zwischen den beiden Politikern. Netanyahu und Israels Präsident Reuven Rivlin besuchten die Mutter und den Bruder des getöteten Kleinkinds im Krankenhaus.

Abbas forderte seinerseits Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH). Täglich würden "von Israelis Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit am palästinensischen Volk verübt". Der Vizechef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, gab der israelischen Regierung die Schuld. Diese repräsentiere eine "pro-Siedlungs- und Apartheidskoalition".

Während die radikalislamische Hamas mit Anschlägen auf israelische Soldaten und Siedler drohte, gingen tausende Palästinenser im Westjordanland aus Wut über den Brandanschlag auf die Straße. Dabei gab es Zusammenstöße mit israelischen Soldaten. An der Beerdigung des kleinen Buben in Duma nahmen tausende Trauergäste teil.

Der Angriff auf das Haus rief auch international Empörung hervor. Die US-Regierung rief alle Seiten auf, nach der "bösartigen Terrorattacke" Ruhe zu bewahren. Die EU-Kommission verlangte "eine vollständige und sofortige Untersuchung" des Anschlags. Die israelische Regierung müsse die örtliche Bevölkerung schützen und dürfe "Siedlergewalt" nicht tolerieren. Die deutsche Regierung nannte die "Brutalität" der Tat "schockierend". Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland erklärte, durch diese "schreckliche Tat" dürfe keine Spirale der Gewalt ausgelöst werden.

Genau dies ist nach Ansicht von Menschenrechtlern jedoch der Fall. Die Gewalt seitens der Siedler sei "zu einer echten Epidemie geworden", sagte der Leiter der israelischen Menschenrechtsorganisation "Peace Now", Yaariv Oppenheimer. Er kritisierte die "Nachsicht" der Behörden mit denen, die Palästinenser angriffen oder Hass schürten. Im Mai hatte die israelische Organisation Yesh Din Zahlen veröffentlicht, wonach mehr als 85 Prozent palästinensischer Klagen gegen Siedlerangriffe zu den Akten gelegt würden.

Radikale Siedler attackieren regelmäßig Palästinenser und deren Häuser, umgekehrt sind Siedler auch immer wieder Ziel von Angriffen radikaler Palästinenser. Derzeit leben fast 400.000 israelische Siedler im seit dem Jahr 1967 von Israel besetzten Westjordanland und fast 200.000 weitere in Ostjerusalem. Die internationale Staatengemeinschaft betrachtet alle jüdischen Siedlungen in den Palästinensergebieten als illegal. (APA, 31.7.2015)