Zürich – Die Aufgabe ihres Euro-Mindestkurses und die darauffolgende Aufwertung des Franken hat der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im ersten Halbjahr einen Rekordverlust eingebrockt. Die Notenbank gab am Freitag für die ersten sechs Monate einen Fehlbetrag von 50,1 Milliarden Franken (47,1 Milliarden Euro) bekannt.

Die Währungshüter hatten lange einen Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro garantiert. Nach der Abkehr von dieser Politik Mitte Jänner wertete der Franken massiv auf. Entsprechend erlitt die SNB auf den in anderen Währungen gehaltenen Anlagen Wechselkursverluste von insgesamt 52,2 Milliarden Franken.

Allein durch den Anstieg des Franken nach der Aufhebung des Mindestkurses zum Euro im Jänner sei in der Bilanz ein Verlust von 47,2 Milliarden Franken entstanden.

Bei den Goldreserven der Notenbank summierte sich das Minus auf 3,2 Milliarden Franken. Für das erste Quartal musste die SNB bereits einen Rekordverlust von 30 Milliarden Franken verbuchen. Hingegen hatte sie nach dem ersten Halbjahr 2014 noch einen Rekordgewinn von 38,3 Milliarden Franken gemeldet.

Euro-Aufkauf beschlossen

Die SNB hatte am 15. Jänner die sofortige Beendigung des Aufkaufs von Milliarden von Euro zur Gewährleistung eines garantierten Mindestwechselkurses von 1,20 Franken pro Euro beschlossen. Nach dieser Entscheidung war der Kurs des als krisensicher angesehenen Franken aufgrund der weltweiten Nachfrage stark gestiegen.

Dies führte zu entsprechenden wechselkursbedingten Verlusten auf sämtliche Anlagewährungen der SNB. Zeitweise hatte der Franken sogar Parität mit dem Euro erreicht. Freitagfrüh lag der Kurs des Euro zum Franken bei 1,06.

Um den 2011 verkündeten Mindestkurs von 1,20 halten zu können, hatte die SNB immer wieder für hohe Milliardensummen Euro gekauft. Vor allem sollten damit die exportorientierte Schweizer Wirtschaft sowie der Tourismus davor geschützt werden, dass eine zu starke Währung Schweizer Waren und Dienstleistungen für Euro-Besitzer verteuert und damit weniger konkurrenzfähig macht. Doch als vergleichsweise kleine Notenbank sah sich die SNB nach eigenem Bekunden im Jänner gezwungen, die teure Verteidigung des Franken-Mindestkurses aufzugeben.

Strafzinsen

Die Strafzinsen auf Einlagen der Geschäftsbanken bei der SNB spülten 530 Mio. Franken in die Kasse. Die SNB stemmt sich mit diesen Negativ-Zinsen gegen die massiven Geldströme in den Franken und die für die exportorientierte Industrie schädliche Aufwertung der Landeswährung. Einlagen bei der Zentralbank werden aktuell mit einer Gebühr von 0,75 Prozent belastet.

Die SNB-Devisenreserven in Höhe von 516 Milliarden Franken waren Ende Juni zu 42 Prozent in Euro angelegt, 32 Prozent entfielen auf den Dollar. Das Ergebnis der Zentralbank ist überwiegend von der Entwicklung der Gold-, Devisen- und Kapitalmärkte abhängig und traditionell starken Schwankungen ausgesetzt. Rückschlüsse von Zwischenberichten auf das Jahresergebnis sind nur bedingt möglich. 2014 hatte die SNB einen Gewinn von 38 Milliarden Franken eingefahren.

Zu den direkten Folgen der Frankenstärke gehört inzwischen ein Rückgang der Exporte sowie des Wachstums des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Bern hat die Prognose beim BIP für 2015 von 2,1 Prozent auf 0,8 Prozent gesenkt. Beim Schweizerischen Arbeitgeberverband geht man sogar von nur 0,4 Prozent aus. Verbandspräsident Valentin Vogt prophezeite, "dass wir mit einem Eurokurs von 1,05 Gefahr laufen, 30.000 Stellen zu verlieren".

Weniger Jobs in der Industrie

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fürchtet nach eigenen Angaben, dass bis Anfang 2016 jeder zehnte Job in der Industrie wegfallen wird. Bereits vor Bekanntgabe der Halbjahresbilanz forderte der SGB die Nationalbank zu erneutem Gegensteuern auf: "Es darf nicht sein, dass die Arbeitnehmenden in der Schweiz die Opfer der Währungsspekulationen und des schlechten Krisenmanagements in der Eurozone werden", erklärte SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Die Nationalbank müsse den Frankenkurs wieder aktiv steuern, um Löhne und Jobs zu schützen.

Die SNB rechnet weiterhin damit, dass im Gesamtjahr Negativzinsen im Umfang von 1,2 Milliarden Franken anfallen werden, wie ein SNB-Sprecher auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda erklärte. Da die Negativzinsen erst in der zweiten Januarhälfte eingeführt wurden, lägen diese in der erwarteten Größenordnung.

Nachdem das Eigenkapital der SNB bereits durch den Verlust im ersten Quartal einen deutlichen Dämpfer erlitten hatte, halbierte es sich seit Jahresbeginn fast. Ende Juni belief sich das Eigenkapital noch auf 34,2 Milliarden Franken.

Starke Schwankungen beim Eigenkapital sind allerdings üblich, und in absoluten Zahlen stellt der aktuelle Wert keinen Negativrekord dar. Im Juni 2011 betrug das Eigenkapital beispielsweise bei einer Bilanzsumme von 258 Milliarden Franken 29 Milliarden Franken. Setzt man das Eigenkapital in Beziehung zur Bilanzsumme resultiert derzeit allerdings nur noch ein Anteil von knapp 6 Prozent. Dies ist im historischen Vergleich ein äußerst niedriger Wert.

Weiterhin fraglich ist, ob Bund und Kantone 2016 von der Ausschüttung von SNB-Gewinnen profitieren werden. Diese bedeutende Einnahmequelle droht zu versiegen, wenn die Verluste im Gesamtjahr nicht geringer sind als die Ausschüttungsreserven des Vorjahres von 27,5 Milliarden Franken. (APA/Reuters, 31.7.2015)