Wien – Die ÖVP lässt bei der Frage, ob es mehr Anreize für Arbeitslose brauche, Jobs anzunehmen, nicht locker. Im Prinzip drehen sich die Vorschläge vor allem um zwei Bereiche:

  • Mindestsicherung: Bei der Mindestsicherung wird argumentiert, vor allem Menschen mit mehreren Kindern würden so hohe Transferzahlungen bekommen, dass es schwer werde, einen Job zu finden, der mehr einbringt. Zur Erinnerung: Bei Paaren beträgt die Mindestsicherung 1241,74 Euro, pro Kind gibt es mindestens 149,01 Euro, wobei Wien mehr zahlt – nämlich 223,51 Euro. Ein Paar mit drei Kindern käme in Wien also auf knapp 1900 Euro.

  • Notstandshilfe: Ein zweiter Punkt, wo die ÖVP Handlungsbedarf sieht, sind Notstandshilfebezieher, die gleichzeitig geringfügig dazuverdienen. Diese Kombination senke den Anreiz, wieder voll ins Berufsleben einzusteigen, argumentiert Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner. Er wäre daher für eine zeitliche Begrenzung der Notstandshilfe.

Der STANDARD hat sich angesehen, wie groß diese Problembereiche wirklich sind. Bei der Mindestsicherung beziehen sich die aktuellsten Zahlen auf das Jahr 2013. Das statistische Material ist zwar nicht allzu umfassend, lässt aber doch einige Schlüsse zu.

Insgesamt bezogen 143.161 Haushalte Mindestsicherung. In 29 Prozent davon (41.022) lebte zumindest ein Kind – hier bestand also ein höherer Anspruch. Die Zahl der Bezieher mit drei oder mehr Kindern hält sich in Grenzen – es sind 11.621 bzw. acht Prozent der Bedarfsgemeinschaften.

Dünne Datenlage

Wie viele Haushalte nun wirklich 1500 oder 2000 Euro Mindestsicherung pro Monat bekommen, lässt sich aus den Zahlen der Statistik Austria aber nicht ablesen. Hierfür ist die Datenlage zu wenig umfassend – das ist übrigens ein Punkt, der bei den laufenden Verhandlungen um eine neue Bund-Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung Thema ist.

Ablesen lässt sich aber, wie viel die unterschiedlichen Haushaltstypen im Schnitt pro Jahr bekommen. Quer durch alle Gruppen sind es 4188 Euro. Wie das möglich ist angesichts eines monatlichen Grundbetrags von 826 Euro? Viele sind sogenannte Aufstocker, bekommen einen Teil der Mindestsicherung also zusätzlich zu einem kleinen Gehalt.

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Bei der Gewerkschaft sorgt die ÖVP-Debatte für Empörung. Sie fordert mehr Geld für das AMS
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Haushalte mit Kindern

Und wie viel bekommen nun Haushalte mit mehreren Kindern? Bei Paaren mit zwei Kindern sind es 4768 Euro pro Jahr. Bei vier oder mehr Kindern sind es 9275 Euro, was aber noch immer weniger als 800 Euro pro Monat entspricht.

Was die Statistik aber verzerrt: Viele beziehen die Mindestsicherung nicht das ganze Jahr. Einige Länder liefern gar keine Daten zur durchschnittlichen Bezugsdauer. In Wien sind es aber beispielsweise neun Monate. Für die vielkritisierte Bundeshauptstadt lässt sich also sagen: Pro Monat liegt der durchschnittliche Anspruch bei 509 Euro, bei Familien mit vier Kindern sind es 1197 Euro.

Mehr Geringfügige

Um welche Größenordnungen geht es bei der Notstandshilfe? Wegen der stark gestiegenen Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren ist natürlich auch die Zahl der Notstandshilfebezieher kräftig nach oben geklettert – von 98.000 im Jahr 2011 auf 141.000 im Vorjahr. Sie bekommen 92 bis 95 Prozent des letzten Arbeitslosengeldes. Grundsätzlich kann sie unbefristet bezogen werden, die durchschnittliche Dauer lag 2014 bei 197 Tagen.

Die Zahl der beim AMS vorgemerkten Arbeitslosen, die gleichzeitig geringfügig arbeiteten, ist zwischen 2011 und 2014 von 29.514 auf 38.326 gestiegen. Das ist zwar ebenfalls ein deutliches Plus, der Geringfügigenanteil an allen Notstandhilfebeziehern ist aber sogar leicht rückläufig.

Zumutbar

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl fordert jedenfalls weiterhin eine Debatte darüber, was Arbeitslosen zumutbar ist. "Wenn ich lese, dass Wirtshäuser zusperren müssen, weil sie keine Leute mehr bekommen, die bereit sind, am Wochenende zu arbeiten, dann stimmt doch etwas in unserem Land nicht", so Leitl.

Bei der Gewerkschaft sorgte er damit für Empörung. Wirtshäuser würden deshalb keine Mitarbeiter finden, weil die Arbeitsbedingungen nicht stimmten, sagte Vida-Vorsitzender Gottfried Winkler. Darum solle sich Leitl kümmern. (Günther Oswald, 31.7.2015)