Bild nicht mehr verfügbar.

Soldaten des Bundesheeres, die für eine Battlegroup der EU eingemeldet waren. Wesentlich für die Verteidigungskooperation in Europa ist Interoperabilität bei Ausrüstung und Technik.

Foto: Reuters / Leonhard Foeger

STANDARD: In einem Europa der Austeritätsprogramme und Budgetkürzungen sind Verteidigungsausgaben und deren Steigerung schwierig zu argumentieren. Wie überzeugen Sie Regierungen, dass diese – wie es der Europäische Rat 2013 beschlossen hat – mehr in ihre Armeen investieren sollen?

Domecq: Es ist natürlich eine Priorität, ausreichend Finanzmittel für die Verteidigungsagenden zur Verfügung zu haben. Was mir aber noch viel wichtiger erscheint, ist, dass wir diese Mittel in Zukunft klüger einsetzen. Was bedeutet das? Es ist unbedingt erforderlich, besser zu kooperieren. Das bringt einerseits Einsparungen und andererseits mehr Interoperabilität. Wir müssen von der Situation wegkommen, dass die 28 EU-Mitgliedstaaten etwa die Hälfte der Mittel für Verteidigung ausgeben wie die Amerikaner und in der operativen Welt nur auf rund 15 Prozent des Outputs der Amerikaner kommen.

STANDARD: Wie genau wollen Sie dieses Verhältnis verbessern?

Domecq: Die EU-Mitgliedstaaten müssen erstens kooperativ mehr in Verteidigungssysteme investieren. Und sie müssen zweitens mehr in Forschung und Technologie investieren. Der Trend, diese beiden Aspekte in den Wehretats zu vernachlässigen, muss umgekehrt werden.

STANDARD: Smart Defence, Pooling and Sharing, Capability Building – an Schlagworten hat es in der Debatte in den vergangenen Jahren nicht gefehlt, an konkreten Kooperationen schon. Wie sind die 28 Mitgliedstaaten davon zu überzeugen, von ihren nationalen Interessen abzurücken oder nationale Rüstungsunternehmen in Kooperationen einzubringen?

Domecq: Als Agentur sind wir nicht so sehr in die ideologische Debatte darüber involviert, wie, wo und wann Fähigkeiten eingesetzt werden sollen. Wir stellen vielmehr sicher, dass diese Fähigkeiten vorhanden sind, falls sie im EU- oder Uno-Kontext oder im nationalen Umfeld gebraucht werden. Aus dieser Sicht: Pooling und Sharing ist eine langwierige Anstrengung, aber wir haben schon Ergebnisse erzielt. Beispiel Luftbetankung von Flugzeugen: Wir arbeiten mit den Niederlanden, Polen und Norwegen derzeit an einer multinationalen Truppe, die 2020 einsatzbereit sein wird.

Das war übrigens eines der vier prioritären Projekte, die der Rat damals identifiziert hat. Anderes Beispiel: Munition. Wir haben fünf Armeen, die Carl-Gustav-Antipanzer-Munition verwenden. Wir haben deren Bedürfnisse gebündelt, sind zur Industrie gegangen, haben neue Verträge gemacht und den Markt komplett geändert. Beispiel Satellitenkommunikation: Österreich etwa ist bei einer Elf-Staaten-Gruppe dabei, wo einige über keine eigenen Satellitenkapazitäten verfügen, diese aber mitbenutzen können, falls sie gebraucht werden.

STANDARD: Zuletzt hat es Berichte über eine europäische Drohne gegeben. Auch das ist eine der Prioritäten des Rates. Wie steht es damit?

Domecq: In diesem Fall geht es um die Entwicklung der nächsten Generation ferngesteuerter militärischer Drohnen. Italien, Deutschland und Frankreich werden darüber eine Machbarkeitsstudie angehen. Diese ist offen auch für andere Mitgliedstaaten. Erst wenn diese abgeschlossen ist, wird man sehen, ob und wie man bei diesem Programm weitermacht. Das Prinzip dabei ist, dass wir als Agentur sicherstellen, dass solche Projekte prinzipiell für alle offen sind, aber im Gegenzug auch nicht immer alle Mitgliedstaaten dabei sein müssen. Wir wollen auf einer À-la-carte-Basis vorankommen, die auf die Bedürfnisse der Mitgliedstaaten Rücksicht nimmt.

STANDARD: Auch von einer europäischen Luftwaffe war schon die Rede. Zukunftsmusik?

Domecq: Wir haben das gemeinsame Transportkommando in Eindhoven. Sechs Staaten sind Mitglied, Polen wird demnächst dazukommen. Dadurch haben wir eine Flotte und echte Kapazitäten zur Verfügung. Wir sprechen derzeit von einer Liste von 200 Flugzeugen. Das kann in vielen anderen Bereichen – Logistik oder Sanitätseinheiten – wiederholt werden.

STANDARD: Braucht es in Europa Rüstungskonzerne vom Format der US-Unternehmen?

Domecq: In Europa muss sich die Struktur der Verteidigungsindustrie konsolidieren. Wir dürfen aber nicht nur an Spitzenunternehmen denken, Klein- und Mittelbetriebe werden eine ebenso große Rolle spielen. Denn dort liegt die meiste Innovationskraft. Wichtig ist, dass die Konsolidierung nicht aufgrund politischer Entscheidungen passiert, sondern durch gemeinsame Verteidigungsprojekte. Dadurch wird die Industrie automatisch kooperieren.

STANDARD: Österreich hat einen der niedrigsten Wehretats und gilt als Trittbrettfahrer in der EU. Was haben Sie denn hier angeregt?

Domecq: Das Verteidigungsministerium wird mehr Mittel für Forschung und Technologie zur Verfügung stellen, das ist ermutigend. Denn das betrifft den Aufbau von Fähigkeiten und die Beteiligung der Industrie. (Christoph Prantner, 31.7.2015)