Wien – Die Zahl der Asylanträge steigt: Das Innenministerium hatte zuletzt seine Prognose für heuer auf rund 80.000 erhöht. Im ersten Halbjahr haben 28.311 Personen in Österreich um Asyl angesucht. Das sind bereits mehr als im ganzen Jahr 2014, in dem insgesamt 28.027 Anträge registriert wurden.
Dabei sind die Antragszahlen zuletzt von Monat zu Monat in die Höhe geklettert. Während im ersten Halbjahr 2014 monatlich in etwa 1.200 bis 1.700 Personen Asyl beantragten, sind die Zahlen dann im Winter auf mehr als 4.000 gestiegen. Nach einem kurzen, leichten Rückgang im Februar und März wurden dann im Mai schon mehr als 6.000 und im Juni als absoluter Spitzenwert 7.538 Anträge gezählt.
Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern
Deutlich mehr als die Hälfte der Anträge stammt von Menschen, die aus den Bürgerkriegsländern Syrien, Afghanistan und Irak kommen. Im ersten Halbjahr haben 7.692 Syrer, 5.749 Afghanen und 3.806 Iraker um Asyl angesucht. Die Zahl der nach Österreich gekommenen Syrer ist vor allem seit September des Vorjahres in die Höhe geklettert. Während im ersten Halbjahr 2014 die Zahl ihrer Anträge noch zwischen rund 200 und 600 monatlich lag, ist sie im September erstmals auf über 1.000 gestiegen und um im Juni lag sie bereits bei 2.420. Bei Afghanen und Irakern liegt die Antragszahl erst seit Mai jeweils über 1.000 – zuletzt im Juni bei 1.789 beziehungsweise 1.254.
Der im Winter noch sehr hohe Zuzug an Menschen aus dem Kosovo ist inzwischen nahezu versiegt. Während im Jänner noch mehr als 1.000 Kosovaren um Asyl angesucht haben, waren es im Mai nur noch 51 – nachdem Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) bei einem Besuch im Kosovo klargemacht hatte, dass Kosovaren in Österreich kaum Chancen auf Asyl haben.
Zwei Millionen seit 1945
Die derzeit registrierten Zahlen sind für Österreich nichts Neues: Seit dem Zweiten Weltkrieg hat Österreich laut UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) insgesamt mehr als zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen, fast 700.000 Menschen sind geblieben.
Aufgrund seiner geografischen Lage zwischen den Blöcken war Österreich jahrzehntelang das wichtigste Land für die Erstaufnahme von Flüchtlingen und Auswanderern in Europa. Bereits unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg befanden sich rund 1,4 Millionen Vertriebene im besetzten Österreich.
Flüchtlinge aus Osteuropa
Die erste große Flüchtlingswelle erreichte das mittlerweile souveräne und neutrale Österreich 1956. In Folge des "Volksaufstandes" in Ungarn suchten 180.000 Menschen Zuflucht im Nachbarland. Die USA und Kanada nahmen den Großteil der Flüchtlinge auf. Etwa 18.000 Ungarn blieben in Österreich.
Im Jahr 1968 brachten sich 162.000 Tschechen und Slowaken nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige Tschechoslowakei und dem damit verbunden Ende des "Prager Frühlings" in Österreich in Sicherheit. 12.000 von ihnen ließen sich für immer hier nieder, die meisten Flüchtlinge kehrten aber wieder in ihre Heimatländer zurück, einige zogen in andere Länder weiter.
Nicht-Europäer seit 1972
1972 nahm Österreich laut UNHCR aufgrund international vereinbarter Quoten erstmals nicht-europäische Flüchtlinge auf: 1.500 asiatisch-stämmige Ugander, danach Chinesen, Vietnamesen, Kambodschaner und Kurden.
1980/81 setzte die nächste große Fluchtbewegung aus Osteuropa ein. Als in Polen das Kriegsrecht ausgerufen wurde, kamen 33.000 Flüchtlinge nach Österreich. 90 Prozent reisten in Drittländer weiter.
Balkan-Kriege
In der jüngeren Vergangenheit trieben die Kriege am Balkan beim Zerfall Jugoslawiens wieder Zehntausende in die Flucht. Um den Jahreswechsel 1991/1992 kamen rund 13.000 aus Kroatien, der Großteil kehrte im Frühjahr 1992 wieder nach Hause zurück. Zu diesem Zeitpunkt trafen die ersten Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina ein. Rund 90.000 wurden hier aufgenommen. Rund 60.000 von ihnen fanden hier eine zweite Heimat – nach Angaben des UNHCR die umfangreichste und aufwendigste Aufnahmeaktion in der Geschichte Österreichs.
Als im Frühjahr 1999 die Vertreibung der Kosovo-Albaner eskalierte, nahm Österreich mehr als 5.000 Menschen auf. Gleich nach dem Ende der Kämpfe im Sommer 1999 begann eine erste Rückkehrbewegung. (APA, red, 30.7.2015)